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Aus: Ausgabe vom 03.07.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Gewerkschaftliches Buch

So ticken die Personalräte

Sie sind selten gewerkschaftlich organisiert. Wenn doch, stärken sie die Durchsetzungsmacht der Beschäftigten. Eine HBS-Studie zu Interessenvertretung im öffentlichen Dienst
Von Dirk Manten
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Besuch von Streikenden bei der Personalrätekonferenz in der Bottroper Lohnhalle (6.10.2021)

Demokratie darf nicht am Fabriktor enden«, so lautet die plakative Kernforderung der Gewerkschaften für den Bereich der privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen. Sie darf aber auch nicht an den Bürotüren der öffentlichen Verwaltung enden, lässt sich mit Blick auf die Millionen Beschäftigten bei Bund, Ländern und Gemeinden ergänzen: Die Teilhabe an grundlegenden Entscheidungsprozessen sowohl in den privaten Betrieben als auch in den öffentlichen Dienststellen ist essentiel für den demokratischen Charakter der Gesellschaft.

Anders als die gut erforschten Betriebsräte spielen die von den Belegschaften gewählten Interessenvertretungen im öffentlichen Dienst allerdings in Studien zu »Mitbestimmung und Arbeitsbeziehungen (…) nur eine marginale Rolle«, so die Sozialwissenschaftler Werner Schmidt und Andrea Müller im Vorwort ihrer aktuellen Veröffentlichung. Mit ihrer breit angelegten Untersuchung über Personalvertretungen in Kommunalverwaltungen wird diese Forschungslücke ein ganzes Stück weit geschlossen. So fragen Schmidt und Müller in ihrer Studie nach dem Selbstverständnis, den Orientierungen, der Arbeitsweise und den Strategien der Personalräte. Und sie liefern interessante Fakten: Weniger als die Hälfte der PR-Mitglieder sind gewerkschaftlich organisiert (wenn, dann ganz überwiegend in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi), Fachangestellte und Facharbeiter sind in den Gremien überrepräsentiert, »besseres Führungsverhalten« sowie »gute Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz« werden von den Personalräten als vorrangige Ziele ihrer Arbeit angegeben. Danach folgen »Leistungsgerechtigkeit bei der Bezahlung« sowie »familienfreundliche Arbeitszeitregelungen«.

Hinsichtlich der Verknüpfung von personalrätlicher und gewerkschaftlicher Tätigkeit zeigt die Studie auf, dass es in diesem Themenfeld für die Gewerkschaften noch große Potentiale zu heben gilt. Lediglich zwölf Prozent der untersuchten Personalräte gehören in einer Typisierung zur Kategorie der »anerkannten gewerkschaftsorientierten Schutzmacht«. Typisch für Gremien dieser Art ist laut Schmidt und Müller, dass sie stark von den Mitgliedern einer Gewerkschaft – zumeist Verdi – dominiert werden, ein aktivistisches Selbstverständnis aufweisen und eine höhere Konfliktorientierung an den Tag legen als andere Personalratstypen (etwa: »Der mitgestaltende Modernisierer«). Zudem kümmern sich die organisierten Mitglieder von Personalräten dieser Art auch um die Mitgliederwerbung für die Gewerkschaft sowie um die Mobilisierung der Beschäftigten im Rahmen von Tarifauseinandersetzungen. Sie stehen somit in einer »Art Austauschbeziehung« zum gewerkschaftlichen Apparat: Die Gewerkschaft unterstützt den Personalrat durch Schulung und Beratung und entlastet ihn durch den Abschluss von Tarifverträgen, die organisierten PR-Mitglieder sorgen für den Erhalt der Mitgliederbasis in der Dienststelle und den Druckaufbau in Tarifrunden. Für die Gewerkschaften wird es zu einer zentralen Zukunftsfrage, ob es ihnen gelingt, die Anzahl der in diesem Sinne gewerkschaftlich orientierten Personalräte zu erhöhen.

Schmidt, Werner/ Müller, Andrea: Personalräte. Strategien, Arbeitsweise und Selbstverständnis von Personalvertretungen im öffentlichen Dienst. Reihe Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung. Bielefeld, Transcript Verlag 2025. 282 Seiten, 29 Euro

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