EU-Klimaziele verhandelbar
Von Wolfgang Pomrehn
Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag für die Klimaschutzziele für 2040 vorgelegt. Formal bleibt sie bei dem schon lange diskutierten Vorhaben, die Treibhausgasemission um 90 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren. Tatsächlich soll aber ein Taschenspielertrick zum Einsatz kommen. Drei Prozentpunkte sollen demnach ab 2036 auch durch internationale Zertifikate abgedeckt werden können. Damit könnten sich Länder Klimaschutzmaßnahmen jenseits der EU-Grenzen anrechnen lassen, sofern sie entsprechende Zertifikate erwerben. Ein ähnlicher Vorschlag wird seit einiger Zeit von den Unionsparteien favorisiert und fand auch Eingang in den Koalitionsvertrag.
Der die Kommission beratende Sachverständigenrat für Klimafragen hatte empfohlen, auf solche Maßnahmen zu verzichten, das Ziel für 2040 auf 90 bis 95 Prozent festzusetzen und bis 2050 die Klimaneutralität anzustreben. Eigentlich müsste die EU die Emissionen sogar noch schneller reduzieren, wenn ein gerechter Beitrag zu den in der Pariser Klimaschutzübereinkunft vereinbarten Zielen beigetragen werden soll. Darin war nämlich 2015 verabredet worden, dass die globale Erwärmung das vorindustrielle Niveau möglichst nicht um mehr als 1,5 Grad Celsius übersteigen darf. Wenn aber alle so weiter emittieren, wie es die EU selbst mit ihren angeblich ehrgeizigen Vorgaben noch plant, werden wir eher bei zwei Grad Celsius oder noch mehr globaler Erwärmung landen. Die 1,5 Grad sind nämlich schon so gut wie erreicht. Das Kohlendioxid (CO2), das mit Abstand wichtigste Treibhausgas, reichert sich in der Atmosphäre an. Daher ist es nicht nur wichtig, die Emissionen irgendwann einzustellen. Auch auf die Summe dessen, was bis zu diesem Nullpunkt noch in die Luft geblasen wird, kommt es an.
Im Augenblick ist sogar ungewiss, ob die bisherigen, weniger ehrgeizigen Ziele erreicht werden. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur in Kopenhagen wurden die Emissionen zwischen 1990 und 2022 um 31 Prozent gesenkt. Bis 2030 soll das Minus 55 Prozent betragen. Die bisher angekündigten Maßnahmen der Mitgliedsländer reichen dafür aber nicht, so die Agentur. Bestenfalls 49 Prozent Reduktion sei mit ihnen möglich.
Entsprechend kritisieren diverse Umweltverbände sowie die Fraktionen der Grünen und der Linken die nun vorgestellten Empfehlungen der Kommission. Jonas Sjöstedt von der schwedischen Linkspartei, der für die Linksfraktion im Umweltausschuss des Strasbourger Parlaments sitzt: »Die Kommission schlägt vor, die Klimaziele zu einer Zeit zu senken, in der Europa wieder einmal mit Temperaturen nahe 50 Grad Celsius unter extremer Hitze leidet. In diesem Sommer wüten bereits große Waldbrände und Menschen verlieren ihre Häuser. Immer sind es die schwächsten Gruppen der Gesellschaft, die am stärksten betroffen sind. Es ist an der Zeit, dass wir die Zeichen der Zeit erkennen – wir müssen viel, viel mehr tun, um den Klimawandel zu bekämpfen.«
Besonders stark ist derzeit Südeuropa von der Hitzewelle betroffen, die Sjöstedt anspricht, aber auch hierzulande sieht es nicht gut aus. Die Daten des Deutschen Wetterdienstes zeigen für fast das ganze Land einen viel zu trockenen Boden, und das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) berichtete am Dienstag, das seine Station auf dem Potsdamer Telegrafenberg das trockenste Halbjahr seit Beginn der dortigen Messungen im Jahre 1893 verzeichnet hat.
Dazu PIK-Meteorologe Peter Hoffmann: »Besonders betroffen durch die langen Dürreperioden sind die Wälder. Die Schäden, welche dadurch in den letzten Jahren entstanden sind, sind in vielen Regionen Deutschlands gut sichtbar und noch nicht behoben, und die erneute Trockenperiode verstärkt die Probleme.« Für das Grundwasser sei die insbesondere in Ostdeutschland andauernde Trockenheit keine gute Nachricht. In weiten Teilen östlich der Elbe hätten sich die Grundwasserstände auch in den beiden zurückliegenden nassen Jahren noch nicht vollständig erholt. Hoffmann befürchtet, dass sie nun wieder stark fallen werden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (3. Juli 2025 um 13:36 Uhr)Ziele formulieren kann jeder, etwas ankündigen auch. Die umfassend praktizierte Methode »management by terror« ist bestens geeignet, Zielvorgaben durch Verweigerung von Mitteln unerfüllbar zu machen. Weshalb terrorisiert die EU auch noch die Ziele selber? Dämmert es denen dort langsam, dass mit CC(U)S, BECCS, DAC … nichts klimawirksames erreicht werden kann? Frau sucht »Climeworks AG« und findet: »Climeworks wird vom Klimahelden zum Problemfall«, »Climeworks: Trotz Massenentlassung sammelt Zürcher Klima-Firma 162 Millionen Dollar ein«, »Climeworks carbon removal. At Climeworks, we provide cutting-edge carbon removal solutions for businesses and individuals committed to positive climate action.« Ziemlich viel und umfassendes Material findet man (auf Englisch) hier: »Climeworks’ capture fails to cover its own emissions« (https://heimildin.is/grein/24581/). Sehr erhellend ist die Suche nach »carbon credits« im Artikel. U.a. mit »carbon credits« (Emissionszertifikate) will die EU den Klimawandel stoppen!
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