»Historische Preissteigerungen«
Von Ralf Wurzbacher
Wird Zugfahren demnächst schon wieder teurer? Nach Auskunft der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) müssen sich Kunden der Deutschen Bahn (DB) noch im laufenden Jahr auf »historische Preissteigerungen von deutlich mehr als zehn Prozent« einstellen. Überdies »würden die Fernverkehrsverbindungen auf den meistbefahrenen ICE-Strecken, darunter auch die schnellen Sprinter, um satte 25 Prozent ausgedünnt werden«, zitierte am Mittwoch Bild den EVG-Vorsitzenden Martin Burkert. Ursache dafür sind demnach höhere Trassenpreise, die öffentliche und private Eisenbahnunternehmen bei Nutzung des Netzes entrichten müssen. Derweil hat der DB-Vorstandsvorsitzende Richard Lutz mehr staatliche Mittel dafür angemahnt, die Schiene wieder fit zu bekommen.
Zuletzt hatte die Bahn die allgemeinen Tarife Mitte Dezember 2024 durchschnittlich um sechs Prozent angehoben. Für Schlagzeilen sorgte zudem die Abschaffung der Familienreservierung, die trotz breiter Proteste am 15. Juni vollzogen wurde. Appelle von Bahn- und Fahrgastverbänden an die Bundesregierung, die Pläne zu vereiteln, blieben unerhört. Auch diesmal fordert EVG-Chef Burkert ein politisches Eingreifen. Der Bundestag müsse »den Preishammer« stoppen und die sogenannte Schienenmaut »durch gezielte Förderung abmildern«, forderte er. Die Trassenentgelte erhebt die DB-Netzsparte Infra-GO, wobei die jüngsten Schritte maßgeblich durch eine Entscheidung des Eigentümers, also des Bundes, provoziert wurden. Der will der Bahn zwecks Schuldenabbau eine Kapitalerhöhung von 20 Milliarden Euro gewähren, gestreckt über mehrere Jahre. Aufgrund einer merkwürdigen Rechtslage muss die DB deshalb allerdings höhere Umsätze erzielen und schafft dies angesichts schwindender Nachfrage im Personen- und Güterverkehr einzig durch Anhebung der Trassen- sowie der Ticketpreise.
Damit nötigt der Konzern freilich noch mehr Güter von der Schiene auf die Straße beziehungsweise Reisende ins Auto, womit der nächste Kostenaufschlag programmiert ist – ein Teufelskreis. Im schlimmsten Fall könnten die Trassenentgelte im Schienengüterverkehr im laufenden Jahr um 35 Prozent zulegen, hatte Ende Juni der Verband Die Güterbahnen gewarnt. Immerhin ist Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) um Schadensbegrenzung bemüht. Durch Änderungen des Eisenbahnregulierungsgesetzes will er den Preisauftrieb abmildern. Gleichwohl erhöhten sich die Preise im laufenden Jahr je nach Sparte um 15 bis 20 Prozent, erklärte DB-Cargo-Shefin Sigrid Nikutta am Mittwoch gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). »Das kann nicht im Sinne der Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene sein.«
Dasselbe gilt für Planungen der Koalition, die öffentliche Trassenpreisförderung zu reduzieren. Im Entwurf des Bundeshaushalts 2025 besteht hier laut FAZ eine Lücke von knapp 100 Millionen Euro im Fernverkehr, und von 75 Millionen Euro beim Güterverkehr. Schnieders Gesetzesvorstoß läuft vor diesem Hintergrund bestenfalls auf ein Nullsummenspiel hinaus. Auf die nahende Entlastung der Verkehrsunternehmen folgen prompt neue Belastungen. Weitere Preissteigerungen »werden sich viele Menschen in diesem Land nicht mehr leisten können«, äußerte sich am Mittwoch Luigi Pantisano von der Fraktion Die Linke im Bundestag. Der Verkehrsminister müsse »jetzt Verantwortung übernehmen und den DB-Vorstand an den Tisch holen, um den nächsten großen Fehler abzuwenden«.
Der kommt bestimmt. Das Bundeskabinett hatte vergangene Woche beschlossen, die Bahn bis 2029 für Investitionen in die Infrastruktur mit rund 107 Milliarden Euro auszustatten. Ein großer Teil der Summe, rund 81 Milliarden Euro, wird nach Informationen der Deutschen Presseagentur aus dem schuldenfinanzierten »Sondervermögen« der Bundesregierung abgezweigt, unter anderem 38 Milliarden Euro, die bisher im Kernhaushalt vorgesehen waren. Damit ist die Ankündigung, dass aus dem Topf allein zusätzliche Aufgaben finanziert würden, hinfällig. Dazu passend teilte DB-Chef Lutz via dpa mit, dass zur Sanierung der Bahn 17 Milliarden Euro fehlten.
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