Pfleger mit »444«-Tattoo
Von Ariane Müller, Bremen
Wenn sie nicht gerade als Kleinkapitalisten Konzerte veranstalten oder Tonträger sowie Szeneartikel vertreiben, gehen Neonazis nicht selten gewöhnlicher Erwerbsarbeit nach. Manche Branchen ziehen sie dabei offenbar mehr an als andere. So sind im Klinikum Bremen-Mitte (KBM) Bemühungen zu erkennen, im dortigen Pflegebereich Fuß zu fassen. Dabei haben gerade in den Krankenhäusern weit über fünfzig Prozent der Beschäftigten einen Migrationshintergrund, sind also potientiell Anfeindungen und Übergriffen durch Neonazis ausgesetzt.
Ein – womöglich gezieltes – Eindringen faschistischer Kräfte in diesen Sektor könnte somit sehr effektiv zur Spaltung der Belegschaft bis hin zum innerbetrieblichen Kampf gegen Gewerkschaftsaktivitäten beitragen. Die Gefahr rassistisch motivierter Attacken gegen Arbeiterinnen und Arbeiter im Klinikum liegt ebenso auf der Hand. Bedenklich wird eine Konzentration neonazistisch gesinnter Beschäftigter auch dann, wenn man sich Szenarien vor Augen führt, in denen nichtweiße Patientinnen oder Patienten als Notfälle eingeliefert werden und deren Gesundheit in den Händen von Neonazis liegt.
Nach jW-Informationen sollen in verschiedenen Abteilungen des KBM bereits eine Handvoll Pflegekräfte beschäftigt sein, die durch einschlägige Tätowierungen der Neonaziszene zugeordnet werden können (»444«). Versteht man dies als Szenecode, steht die Ziffer für den Buchstaben »D«. In der Reihung kann das Tattoo somit als Verweis auf die Parole »Deutschland den Deutschen« interpretiert werden.
Eine jener Pflegekräfte soll im Dezember 2024 an einem Neonaziaufmarsch in Magdeburg teilgenommen haben, wie auf antifaschistischen Portalen anhand von Fotoaufnahmen kolportiert wurde. Die Person soll demnach mit Mitgliedern der faschistischen Szene verkehrt haben, darunter demnach Mitglieder der Gruppierung »Weser-Ems-Aktion« sowie Neonazis, die Ende 2024 ein Banner am Bremer Sielwallhaus gestohlen haben sollen. Dieses wird vom Verein Jugendinitiative genutzt. Mehrfache Angebote einer Aussteigerhilfe habe die betreffende Person abgelehnt, heißt es.
Voll erblindet ist die Klinikleitung auf dem rechten Auge offenbar nicht. Im Fall eines Krankenpflegers soll sich im Zuge einer Überprüfung und Hinweisen aus der Belegschaft der Verdacht erhärtet haben, dass der Mann aktives Mitglied der Neonazi- bzw. rechten Hooliganszene sei. So soll der Pfleger Mitglied im »Nordsturm Hansestadt Bremen« gewesen und wegen Versuchs der Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden sein. Ihm wurde außerdem vorgeworfen, an dem Angriff einer Gruppe Neonazis auf ein pädagogisches Bildungszentrum, das Lidice-Haus in Bremen, beteiligt gewesen zu sein. Darüber hinaus wurde ihm vorgeworfen, sein polizeiliches Führungszeugnis gefälscht zu haben. Deshalb sei ihm fristlos gekündigt worden.
Das KBM ist eine von vier Kliniken des kommunalen Unternehmens Gesundheit Nord (Geno) in der Stadt Bremen. Anfragen dieser Zeitung an die Sprecherin der Geno mit der Bitte um eine Stellungnahme der Geschäftsführung sowie der zuständigen Pflegedirektion im KBM in dieser Angelegenheit blieben bis Redaktionsschlus unbeantwortet.
Dem Hinweis eines KBM-Beschäftigten zufolge schlug der Betriebsrat im Klinikum Bremen-Mitte vor, dass künftig alle Bewerberinnen und Bewerber, die in der Geno arbeiten möchten, ein qualifiziertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen sollten. Es könne nicht sein, kritisierte der anonym bleiben wollende Beschäftigte am Sonntag, dass dadurch künftig alle, die bei Gesundheit Nord arbeiten wollen, unter Generalverdacht gestellt würden.
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