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Aus: Ausgabe vom 01.07.2025, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Paläontologie

Und ward nicht mehr gesehn

Forscher weisen ältesten Bumerang der Geschichte in Polen nach
Von Felix Bartels
Obłazowa_Cave_Mammoth_Tusk_Boomerang.jpg
Fliegt er hoch, fliegt er weit: Der Bumerang aus den Karpaten

Einst schrieb Ringelnatz von einem Wurfgerät, das empfindlich unter Fehlkonstruktion litt: »Bumerang flog ein Stück / Aber kam nicht mehr zurück. / Publikum noch stundenlang / Wartete auf Bumerang.« Natürlich darf Lyrik sich um Wissenschaft nicht scheren, Bescheidwisser wissen dennoch Bescheid. Zurückkommen ist keine notwendige Eigenschaft des Bumerangs. Der Kylie, die traditionelle Jagdwaffe der Ureinwohner Australiens, flog auch nicht zurück in die Hand des Werfers. Er sollte möglichst präzis sein, und die Fähigkeit zur Rückkehr geht zulasten der Präzision. Schon günstig, wenn eine Jagdwaffe auch trifft.

Was alle Bumerange eint: Durch ihre gekrümmte Form erhalten sie Auftrieb und fliegen daher weiter. Als erste Erfinder des Bumerangs gelten die Aborigines. Der älteste bekannte Bumerang aus Holz wurde im südlichen Australien entdeckt, sein geschätztes Alter liegt zwischen 10.200 und 8.990 Jahren. In Europa allerdings soll ein viel älterer Kollege gewohnt haben. Neun mal fünf Meter groß ist die Höhle Obłazowa, gelegen im polnischen Teil der Karpaten, wo das etwa 72 Zentimeter lange, sechs Zentimeter breite und 1,5 Zentimeter dicke Wurfgerät gefunden wurde. Seine gebogene Form und gewölbte Oberseite folgen der natürlichen Krümmung des Mammut-Stoßzahns, er besteht also aus Elfenbein. An der Unterseite wurde der Bumerang abgeflacht, das berichtet ein Team um Sahra Talamo von der Universität Bologna.

Bekannt ist das Objekt seit 1985, als Archäologen Wanderungen des Homo sapiens in den Karpaten erforschten. Das Team um Talamo es nun genauer untersucht. Sein Alter liegt demnach, auf Basis neuerer Radiokarbondatierungen, zwischen 42.290 und 39.280 Jahren. »Das Obłazowa-Artefakt ähnelt sehr dem Queensland-Typ der australischen Bumerange«, heißt es im Forschungsbericht. Stark gebogene Wurfgeräte also, die nicht zum Werfer zurückkehren. Wurfexperimente mit einer Nachbildung aus Epoxidharz erbrachten den Nachweis ähnlicher Flugbahnen. Zudem die Erkenntnis, dass die abgeflachte Form die Flugweite vergrößert hat, was die Vermutung zulässt, dass der Bumerang bei der Jagd verwendet wurde. Die kunstvolle Bemalung lässt darüber hinaus den Gedanken zu, dass man ihn auch zu rituellen Zwecken eingesetzt hat. Was aber nicht sicher ist. Die Forscher weisen auf andere Fundstücke hin, »durchbohrte Schlagstöcke, die seit ihrer Entdeckung unterschiedlich interpretiert wurden, als Symbole der Autorität, Zeltpflöcke, Speerschleudern oder Werkzeuge zur Seilherstellung«.

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