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Aus: Ausgabe vom 01.07.2025, Seite 5 / Inland
Mietwucher-App

Straftat Mietwucher

Miete 59 Prozent über Vergleichsspiegel: Tausende Beschwerden bei Behörden
Von Susanne Knütter
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Per App dem Wucher beikommen, das macht Die Linke mit einer Smartphone-Anwendung möglich

Tausende Haushalte in deutschen Großstädten haben wegen vermuteten Mietwuchers Beschwerde bei den zuständigen Behörden eingelegt. Und zwar über die sogenannte Mietwucher-App von Die Linke. Nach Angaben der Partei lag die Miete dieser gut 5.000 Haushalte im Durchschnitt 59 Prozent über dem Mietspiegel. Im Schnitt zahlten sie demnach 242 Euro im Monat zuviel. Das summiere sich allein für diese Haushalte auf bis zu 1,2 Millionen Euro im Monat oder fast 15 Millionen Euro im Jahr.

Die Linke im Bundestag hatte die Mietwucher-App Mitte November gestartet. Bislang haben 135.000 Nutzerinnen und Nutzer freiwillig ihre Daten eingetragen, um ihre Miete mit dem örtlichen Mietspiegel zu vergleichen. Die App gab es zunächst für neun deutsche Großstädte. Am Montag sollten die NRW-Städte Bochum, Bonn, Köln und Münster dazu kommen.

Wenn sich die Nutzer dafür entscheiden, wird über die App eine Meldung an die zuständigen Ämter weitergeleitet. Diese sind zur Überprüfung derselben verpflichtet. Nach Angaben der Linkspartei werden über die App in vielen Fällen überhöhte Mieten festgestellt, aber nicht an Ämter gemeldet. Denn viele befürchteten Ärger mit dem Vermieter.

Laut Wirtschaftsstrafgesetz kann es eine Ordnungswidrigkeit sein, wenn Mieten für Wohnräume um mehr als 20 Prozent über üblichen Vergleichswerten liegen und der Vermieter den Mangel an Wohnungen ausnutzt. Ab um 50 Prozent überhöhten Werten kann es sich demnach unter bestimmten Bedingungen auch um eine Straftat handeln. Ein Beispiel sei Frankfurt am Main, wo seit 2020 über 1.000 Fälle bearbeitet und 330.000 Euro an Mieter zurückerstattet worden seien. Die Linke setzt sich nach eigenen Angaben im Bundestag für eine erleichterte Anwendung des Paragraphen 5 im Wirtschaftsstrafgesetz ein, um einfacher Bußgelder bei Mietwucher verhängen zu können.

Was es bedeutet, im Jahr 2025 Mieter in einer deutschen Großstadt zu sein, daran erinnerte auch der 71. Deutsche Mietertag, der am Sonnabend zu Ende ging: In 53 Prozent der Haushalte in Deutschland lebten die Menschen zur Miete, erklärte der Mieterbund. Es fehlten Hunderttausende bezahlbare Wohnungen im gesamten Land. Der Bestand an Sozialwohnungen habe sich seit 2006 auf rund eine Million Wohnungen halbiert, Tendenz drastisch sinkend. Mehr als drei Millionen Haushalte müssten für die Wohnkosten mehr als 40 Prozent des Nettoeinkommens ausgeben. Jeder dritte der 21 Millionen Mieterhaushalte zahle mehr als 30 Prozent des Einkommens für Miete und Heizkosten. Einkommensschwache Mieter zwacken sogar die Hälfte oder mehr ihres Einkommens für die Miete ab.

Spät dran war die SPD mit einem Vorschlag zur Mietwucherbegrenzung: Kaum hatte die Verlängerung der Regelung zur Mietpreisbremse den Bundestag passiert – mit all ihren Ausnahmen und Mängeln – da erklärte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig, die Umgehung der Mietpreisbremse bei möblierten Wohnungen stoppen zu wollen. Die geltenden Regeln hätten viele Schlupflöcher, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Mediengruppe Bayern am Sonntag. »Deshalb meinen manche Vermieter, man könne die Mietpreisbremse umgehen, indem man in seine Wohnung zwei Stühle stellt.«

Der Bundestag hatte die Regelungen zur Mietpreisbremse am Donnerstag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Grünen verlängert. Die Linke enthielt sich. Die AfD stimmte dagegen, unter anderem mit Argumenten wie denen, dass bei eingeschränkter Renditeerwartung die Bautätigkeit nachlassen würde, Eigentümer von Wohnraum verprellt würden und die Mietpreisbremse Tür und Tor für weitere Beschränkungen öffne. Die Justizministerin kündigte auch Regeln zur sogenannten Schonfristzahlung an. Sie soll verhindern, dass Mieter in die Obdachlosigkeit rutschen. Wie und wann die Maßnahmen kommen sollen, blieb offen.

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