»Sie blendet das Sterben und Töten aus«
Interview: Henning von Stoltzenberg
Im Rahmen einer Mahnwache haben Sie vor kurzem für den »Bonner Appell« geworben. Wozu ruft der auf?
Die Bundeswehr wirbt gezielt an Schulen, im öffentlichen Raum und mit ihrer an 16jährige gerichteten Infopost für den Soldatendienst ab 17 Jahren. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die Grundsätze der von Deutschland unterzeichneten UN-Kinderrechtskonvention – auch in Bonn.
Die Truppe schickt Minderjährigen also Rekrutenwerbung?
Auf der Grundlage des Bundesmelde- und des Soldatengesetzes übermitteln alle deutschen Einwohnermeldeämter jedes Jahr der Bundeswehr die Adressen ihrer 16jährigen Bürger. Damit wird die gezielte Anwerbung Jugendlicher durch die Bundeswehr ermöglicht. Als Bürger der UN-Stadt Bonn wollen wir das nicht länger hinnehmen. Wir wollen, dass von Bonn eine Initiative zur Beendigung der Jugendrekrutierung in Deutschland ausgeht.
Und an wen richtet sich Ihr Appell?
Das »Bonner Friedensforum« appelliert an den Rat der Stadt und die Oberbürgermeisterin sowie die Bundestagsabgeordneten aus Bonn. Sie alle sollen sich aktiv und nachdrücklich beim Deutschen Städtetag, bei der Bundesregierung und im Bundestag für die notwendigen gesetzlichen Änderungen einzusetzen, damit keine Daten von Jugendlichen mehr von den Meldeämtern an die Bundeswehr weitergegeben werden. Außerdem soll die auf Jugendliche ausgerichtete Werbung beendet und keine Jugendlichen mehr von der Bundeswehr für den Militärdienst eingestellt werden.
Welche Möglichkeiten bestehen für die Stadt Bonn, Bundeswehr-Werbung zu untersagen?
Sie ist beispielsweise zu 100 Prozent Eigentümerin der Stadtwerke, also auch der Verkehrsbetriebe. An allen Haltestellen und auf allen Fahrzeugen könnte problemlos auf Bundeswehr-Werbung verzichtet werden.
Gegen welche Teile der Kinderrechtskonvention verstößt die Bundeswehr-Werbung?
Das »Übereinkommen über die Rechte des Kindes« aus der UN-Kinderrechtskonvention definiert unter anderem die Schutzrechte von unter 18jährigen. Ein zentrales Prinzip, an das sich alle staatlichen Institutionen halten müssen, ist das Kindeswohl. Bundeswehr-Werbung ist einseitig und verführerisch. Sie stellt das Militär als attraktiven und normalen Arbeitgeber dar, hebt den Abenteuer- sowie Spaßcharakter des Soldatendienstes durch große Versprechungen und »schöne« Bilder hervor – verschweigt allerdings Gefahren wie Angst-, Belastungsstörungen oder Depressionen und blendet die entscheidenden Themen Sterben und Töten aus.
Bundeswehr-Werbung gefährdet somit das Kindeswohl. Die BRD ist bereits mehrfach vom UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes aufgefordert worden, alle Formen der auf Kinder ausgerichteten Werbung oder Vermarktung des Militärdienstes zu verbieten, insbesondere an Schulen.
Wie waren die Rückmeldungen von Jugendlichen auf Ihre Mahnwache?
Es besteht allgemein eklatante Unkenntnis darüber, dass es 17jährige bei der Bundeswehr gibt. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 sind bereits mehr als 20.000 Minderjährige rekrutiert worden – mit jährlich steigender Tendenz. Unter den Jugendlichen herrschte Interesse, Zustimmung, Ermunterung, wenig Kritik, keine offenen Anfeindungen. Es gab teilweise recht offene, intensive, selten nur oberflächliche persönliche Gespräche und eine überschaubare Anzahl an Unterschriften.
Wie werden Sie weiter vorgehen?
Wir werden wie bisher monatlich unsere Mahnwache veranstalten, ein fester Stamm von acht Aktiven unterstützt uns dabei, die gesamte Bonner Friedensbewegung trägt uns. Die Lokalpresse berichtet durchaus wohlwollend. Gespräche mit politisch Verantwortlichen auf kommunaler Ebene, aber auch mit den Bonner Abgeordneten im Land- und Bundestag dienen dazu, immer wieder mit Nachdruck auf das Problem hinzuweisen und zum Handeln aufzufordern. Uns ist es wichtig, ähnliche Vorhaben auch in anderen Kommunen der Region anzustoßen und zu unterstützen. Da sind wir auf einem guten Weg.
Armin Lauven ist aktiv im »Friedensforum Bonn«
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