US-Dokus im Exil
Von Jens Walther
Die Perspektiven für die Arbeit kritischer Filmemacher in den USA sind düster. Insbesondere für Dokumentationen, deren Ausrichtung nicht im Sinne des Präsidenten sein könnten, sind seit Amtsantritt von Präsident Donald Trump kaum mehr Gelder aufzutreiben. Fernsehsender aus Deutschland und anderen europäischen Ländern springen immer häufiger finanziell in die Bresche.
Anlässlich des internationalen Branchentreffs Sunny Side of the Doc im französischen La Rochelle in dieser Woche gab TV-Produzent Christian Beetz (»Gaza«) – er ist seit 25 Jahren im Geschäft –seine Erfahrungen preis. 1990 wurde Sunny Side of the Doc gegründet und engagiert sich für die Finanzierung von Koproduktionen und die Verbreitung abgeschlossener Programme – sowohl für lineare Dokumentarfilme als auch für digitale Formate ausschließlich fürs Internet. Beetz beobachte, wie immer mehr US-Finanziers sich aus Angst vor Trump wegducken, geplante Filme im eigenen Land nicht mehr unterstützen. »Der amerikanische Markt im Dokumentarfilmbereich ist total eingebrochen«, sagte er nun der Deutschen Presseagentur. Beetz Brothers bereitet gerade eine Doku über den Multimilliardär und ehemaligen Trump-Regierungsberater Elon Musk vor. Sämtliche potentiellen Partner aus den USA, die sich zu Beginn der Vorbereitungen dafür noch interessiert gezeigt hätten, seien aus Furcht vor Repressalien abgesprungen, sagte Beetz.
»Alle sind zur Zeit vorsichtig, verunsichert, oder beides. Das betrifft nicht nur Spielfilm- oder Dokumentarfilmproduktionen, sondern alle Programme«, beschrieb der Deutsch-Amerikaner Hannes Jaenicke die Lage in den USA. Alle hielten sich zurück, weil sie unter genauer Beobachtung und hohem Druck stehen würden. »Es ist bedrückend zu sehen, wie schnell selbst große Konzerne einbrechen und auf Trump-Linie gehen.« Niemand wolle Aufmerksamkeit auf sich ziehen und Trumps Zorn anheimfallen. In seinen Augen sei das eine beängstigende Situation, so Jaenicke im dpa-Interview.
Umgekehrt suchen jetzt immer mehr US-Dokumentarfilmer nach europäischen Partnern. Das ist auch großes Thema beim Sunny Side of the Doc. Filmemacherin Dawn Porter von Trilogy Films aus New York beispielsweise ist nach Frankreich gereist, um hier in Europa Projekte voranzubringen. Sie ist vielfach preisgekrönt, gewann auf dem Sundance Film Festival mit einem Werk über drei afroamerikanische Bürgerrechtsanwälte in den US-Südstaaten. »Wir haben eine echte Krise der Sender, die normalerweise Projekte über Demokratie und über Bürgerrechte berichten. Selbst CNN hat zu kämpfen«, so Porter. Dass die Veränderungen in den USA große Auswirkungen auf die gesamte Branche haben, bestätigt Produzent Gunnar Dedio: »Früher ist man als Deutscher oder Europäer nach Amerika gegangen, um Partner zu finden, jetzt wandelt sich das – das ist sehr ungewöhnlich.« Sender wie ZDF, BBC oder Arte sind in der Wahrnehmung der Branchenkenner nach wie vor zahlungskräftig und springen demnach häufiger mal ein, wenn es an Geld mangelt.
Der deutsche Spartensender ZDF Info zum Beispiel unterhält eine langjährige Zusammenarbeit mit dem renommierten US-Fernseh-Netzwerk PBS, das Trump kürzlich noch als angeblichen »Propagandasender« beschimpft hat. Die Teams vom Lerchenberg können investigative Dokus der Amerikaner vorab sichten und erhalten den ersten Zugriff, wenn kein anderer Kooperationspartner mit PBS zusammenarbeitet, teilte der Mainzer Sender auf Anfrage der dpa mit. Looks Film wiederum war gemeinsam mit SWR und RBB an der PBS-Dokumentation über Hannah Arendt »Facing Tyranny« beteiligt, die jetzt am 27. Juni in den USA Premiere hat. Bei uns wird »Hannah Arendt – Denken ist gefährlich« ab Dezember bei den ARD-Angeboten zu sehen sein.
»Wir werden für bestimmte Projekte zukünftig wahrscheinlich zuerst Gelder aus dem Ausland akquirieren«, so Porter. »Und deshalb ist es sehr, sehr wichtig, diese internationalen Allianzen zu haben.« Die New Yorkerin sprach für viele ihrer Kolleginnen und Kollegen, als sie beteuerte: »Wir werden nicht aufhören, Filme zu machen. Wir werden nicht aufhören, Druck zu machen. Wir werden nicht aufhören, die Wahrheit mitzuteilen.«
(Mit Material von dpa)
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