Aus Leserbriefen an die Redaktion

Kaputtgespart und ausgeblutet
Zu jW vom 19.6.: »Nach Kitakollaps nun Kitasterben«
Als langjährige, mittlerweile ehemalige Grundschullehrerin möchte ich darauf hinweisen, dass die sogenannten sinkenden Geburtenzahlen schon immer das Totschlagargument für Kürzungen in Schulen und im Vorschulbereich gewesen sind. Teilweise wurde die gesamte Zuwanderung nicht berücksichtigt, teilweise waren es Lügengebäude von Behörden, die Kürzungen begründeten. Dieser Vorgehensweise seit 1984 (»die Wende«) verdanken wir ein ausgeblutetes und kaputtgespartes Schulsystem im Primar- und Sekundarbereich und eine schlechte Versorgung im Vorschulbereich. Standards wurden wesentlich herabgesetzt, und daran hat man sich dann gewöhnt. Nur die gymnasialen Oberstufen haben noch eine politische Lobby.
Birgit Landau, Bremen
»Von Weimar bis heute«
Zu jW vom 13.6.: »Ein bisschen Frieden«
Kluge Bündnispolitik war leider noch nie eine Stärke der Linken in Deutschland. Das zieht sich durch die Geschichte von Weimar bis heute. Da wagen sich namhafte SPD-Mitglieder erstmals aus der Deckung, wenden sich gegen die Raketenstationierung und ungezügelte Rüstung und werden fundamentalistisch vorgeführt. Um festzuhalten, dass das sozialdemokratische Manifest nicht als Statut für die Friedensbewegung taugt, hätte ein Kurzkommentar auf Seite 8 der jW gereicht. Statt dessen mären sich die Verfasser auf den Themenseiten aus, um akribisch nachzuweisen, dass die sozialdemokratischen Unterzeichner des Manifests Sozialdemokraten sind. Das ist nicht nur ärgerlich, das ist in der politischen Konsequenz eine groteske Dummheit: »Die SPD-Friedenskreise dienen (…) nicht der Sache der Friedensbewegung«, heißt es. Doch, das tun sie, allein schon dadurch, dass die Raketenstationierung es in die Schlagzeilen schafft. Und es geht auch keineswegs darum, die »Friedenskräfte in der SPD zu stärken«. Vielmehr entsteht die Hoffnung, dass wenigstens Teile der Sozialdemokratie die Friedensbewegung stärken. Den Durchmarsch der Kriegstüchtigen wird man nur bremsen können, wenn sich die relevanten gesellschaftlichen Kräfte – Gewerkschaften, Kirchen etc. – in der Friedensbewegung versammeln. Ideologische Reinheitsgebote aufzustellen, hilft da kein Deut weiter. Bleibt zu hoffen, dass der sektiererische Radikalismus, der sich in dem Beitrag »Ein bisschen Frieden« äußert, nicht Schule macht.
Horst Dejas, Berlin
Reine Lehre und Sektierertum
Zu jW vom 13.6.: »Ein bisschen Frieden«
Die junge Welt hab’ ich seit einem knappen Jahr abonniert. Anfangs nur mit einem Probeabo aus Solidaritätsgründen. Ich fand die Zeitung wider Erwarten erstaunlich gut, vor allem die meisten historischen Artikel und die Themenseiten. Zwar ärgert mich die Obsession vieler Autoren, sich an der Sozialdemokratie oder der Linken abarbeiten zu müssen, aber das lass’ ich mir dann eben »durch den Kopf gehen«.
Der Artikel »Ein bisschen Frieden« jedoch hat mich nicht nur geärgert, sondern regelrecht wütend gemacht. Ich kann ja noch verstehen, wenn ein Kommunist Leute wie Pistorius oder Roth in die rechte Ecke zu stellen versucht. Aber die Autoren des Manifests zur Friedenssicherung gleich hinterherzuschicken, ist nicht nur unredlich, sondern schlicht dumm. Wer kommt als nächster in die rechte Ecke? Vielleicht Die Linke? Ist ja bekanntlich auch schon angeblich faule Kompromisse eingegangen.
Das Ganze riecht mir doch sehr nach der unsäglichen Sozialfaschismustheorie, die schon einmal mitgeholfen hat, das Geschäft der wirklichen Faschisten zu besorgen! Die Friedensbewegung braucht alle, deren Gehirn noch nicht von der permanenten Kriegspropaganda vernebelt ist, um den verhängnisvollen Marsch in den nächsten Krieg zu verhindern. Die Autoren und Unterzeichner des Friedensmanifests in der SPD gehören zweifellos dazu. Ob der Autor des Artikels dazugehören will, bezweifle ich. Ihm scheint es eher darum zu gehen, die reine Lehre tapfer zu verteidigen. Wenn am Ende dann nur noch eine Sekte übrig bleibt, schade, aber die ist dann wenigstens sortenrein.
J. Lorenz, Gartow
Erfundene Bedrohungslage
Zu jW vom 11.6.: »Visionär des Tages: Bruno Kahl«
Bruno Kahl, BND-Chef, ist ein würdiger Nachfolger des BND-Gründers Reinhard Gehlen. Lesen Sie doch bitte Otto Köhlers Themen-Aufsatz vom 31. Dezember 2019, »Gehlens Dritter Weltkrieg«, noch mal nach. Ganz am Schluss des Köhler-Textes wird dort ein CIA-Chefauswerter (Victor Marchetti) zitiert: »Meiner Ansicht nach lieferte die Organisation Gehlen nichts, das zum Verständnis oder zur richtigen Einschätzung des politischen oder militärischen Potentials in Osteuropa oder sonstwo beitrug. Statt dessen wurde jetzt behauptet, dass die Sowjets in der Lage wären, in Europa, im Nahen und im Fernen Osten gleichzeitig große Offensiven zu starten.« Man hatte damals Gehlen geglaubt, der Kalte Krieg begann, aber die Bedrohungen durch Stalins Armeen waren von Gehlen erfunden. Kahl macht also nur da weiter, wo Gehlen angefangen hatte, bei Halluzinationen, wie Arnold Schölzel richtig schreibt. Man wird jedoch Russland so lange provozieren, bis die dann zwangsläufigen Reaktionen Russlands zur Bedrohung werden könnten. Unsere Regierung will das, mir graut’s. Wann formieren sich endlich statt »Mütter gegen Atomkraft« nun »Mütter gegen Kanonenfutter« oder dergleichen?
Emmo Frey, Dachau
Die sogenannten sinkenden Geburtenzahlen waren schon immer das Totschlagargument für Kürzungen in Schulen und im Vorschulbereich gewesen
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