Petros Teilerfolg
Von Volker Hermsdorf
Kolumbiens Arbeitsrechtsreform nimmt Gestalt an. Der Senat hat am Dienstag abend mit 57 zu 31 Stimmen den von Präsident Gustavo Petro eingebrachten Gesetzentwurf weitgehend angenommen. Trotz starken Widerstands von Unternehmerverbänden und rechter Opposition konnte der sozialdemokratische Staatschef zentrale Elemente seiner Agenda zur Stärkung der Rechte von Beschäftigten und Auszubildenden durchsetzen. Auch wenn das Ergebnis nicht alle Forderungen der Regierung erfüllt, spricht diese von einem bedeutenden Fortschritt. Es sei ein »historischer Schritt in Richtung menschenwürdiger Arbeit«, der den Grundsätzen der IAO-Anforderungen für Menschen- und Arbeitsrechte entspreche.
Senatorin María José Pizarro vom Regierungsbündnis Pacto Histórico feierte das Ergebnis als Sieg der Werktätigen. »Wir haben Rechte gewonnen und das Modell besiegt, das die Prekarität normalisiert hat. Kolumbien kann sich ändern«, sagte sie. Doch nicht alle teilen ihre Begeisterung. Örtliche Medien warnten, die Zustimmung zur Arbeitsrechtsreform könne ein taktisches Manöver gewesen sein, um die geplante Volksbefragung über umfassendere soziale Reformen – unter anderem zur Renten- und Gesundheitsversorgung – auszubremsen. Petro widersprach umgehend. »Die per Dekret angeordnete Volksabstimmung bleibt bis zur Abstimmung über den endgültigen Gesetzestext bestehen«, erklärte er noch am Abend über den Kurznachrichtendienst X. Immer wieder hatte er betont, dass das Referendum die »Lebensversicherung« der Reform sei. Damit das Vorhaben, das Verbesserungen für Millionen lohnabhängig Beschäftigte vorsieht, tatsächlich Gesetz wird, muss noch eine formale Einigung über die zwischen Senat und Repräsentantenhaus abweichenden Textfassungen erzielt werden.
Sollte die Reform als eine der zentralen Säulen von Petros Regierungsprogramm in Kraft treten, wäre dies auch ein Erfolg gegenüber der rechten Opposition, die deren wesentliche Bestandteile nach wie vor ablehnt. Senator Carlos Meisel von der Rechtspartei Centro Democrático sprach von einem »Todesstoß« für kleine Unternehmen und warf der Regierung vor, Stimmen »gekauft« zu haben. »Wir haben Artikel für Artikel, Stimme für Stimme eine neue, demokratische und progressive Arbeitsgesetzgebung durchgesetzt«, konterte Petros Arbeitsminister Antonio Sanguino. Auch Innenminister Armando Benedetti sprach vom »größten Vermächtnis der Regierung für die kolumbianischen Arbeiter«. Einige Forderungen konnten im Senat nur abgeschwächt durchgesetzt werden – etwa der Zuschlag für Nachtarbeit, der nicht wie ursprünglich gefordert ab 18 Uhr, sondern erst ab 19 Uhr greifen soll –, doch auch das ist ein Fortschritt gegenüber der geltenden Regelung, die Nachtarbeit erst ab 21 Uhr zusätzlich vergütet. Eine weitere Verbesserung ist die Vergütung von Sonn- und Feiertagsarbeit mit einem Aufschlag von 100 Prozent. Auch die seit Jahren voranschreitende Flexibilisierung der Arbeitszeit durch Stundenverträge – ein Einfallstor für Prekarisierung – wurde gestoppt. Zudem werden digitalen Ausbeutungsplattformen wie Rappi oder Didi erstmals klare Schranken gesetzt. Die Betreiber müssen künftig Beiträge zur sozialen Sicherung ihrer Beschäftigten leisten, die sie nicht länger als »unabhängige Auftragnehmer« deklarieren dürfen. Ein weiterer Erfolg betrifft schließlich die Auszubildenden im staatlichen Berufsbildungsinstitut Sena. Sie erhalten künftig wieder reguläre Arbeitsverträge – eine Regelung, die unter der neoliberalen Agenda des ultrarechten Präsidenten Álvaro Uribe im Jahr 2003 abgeschafft worden war.
Nach zahlreichen Rückschlägen im Parlament könnte Petro – wenn auch mit Einschränkungen – nun erstmals seit seinem Amtsantritt im August 2022 ein zentrales Reformprojekt auf den Weg gebracht haben. Insofern ist das Ergebnis der Senatsabstimmung ein Teilerfolg für ihn und seine Regierung. Die Konzessionen an das bürgerliche Lager markieren aber auch in diesem Fall die Grenzen seiner sozialdemokratischen Reformpolitik.
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