Bauen mit Billiglöhnern
Von Max Freitag
Wer suchet, der findet. Und wer auf dem Bau suchet, der findet Mindestlohn- und Sozialversicherungsbetrug. Bei einer »bundesweiten Schwerpunktprüfung gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung im Baugewerbe« – Razzien auf Baustellen – wurden am Montag etwa 300 Straf- und mehr als 400 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, wie die Generalzolldirektion in Bonn am Mittwoch mitteilte.
In mehr als 200 Fällen wurden dabei Arbeiter ohne Aufenthaltstitel festgestellt, so die Zolldirektion. Die anderen Verfahren wurden nicht aufgeschlüsselt. Aufgespürt wurden aber 1.800 weitere mögliche Verstöße. Es gebe Hinweise auf vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge in knapp 560 Fällen und Mindestlohnbetrug in mehr als 260 Fällen. Die Kategorien schließen einander nicht aus: Auf einer Baustelle in Bornheim fanden die Beamten sechs Männer aus dem Kosovo und Weißrussland auf, die nach Angaben eines Sprechers wohl nur »wenige Euro« verdienten.
Belangt werden die Firmen, sofern es sich um Verstöße etwa im Rahmen des Mindestlohngesetzes handelt, erklärte Sarah Garbers aus der Pressestelle der Generalzolldirektion auf jW-Nachfrage am Mittwoch. »Liegt ein Fall einer illegalen Ausländererwerbstätigkeit vor, sind sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber rechtlich verantwortlich«, führte sie aus. Nach schlechter Bezahlung und harten Arbeitsbedingungen droht den migrantischen Beschäftigten dann noch die Abschiebung.
Dabei sei es die Migrationspolitik der Regierung, die »Menschen in die Illegalität drängt und Arbeitsverbote verhängt« und damit die »Grundlage für Ausbeutungsstrukturen« schafft, erklärte Clara Bünger, die für die Linkspartei im Bundestag sitzt, am Mittwoch gegenüber jW. Zustimmung von Parteikollege Cem Ince: »Je prekärer die Lebensverhältnisse eines Menschen, desto leichter seine Ausbeutung.« Die Baubranche gehöre »zu den drei Sektoren mit den meisten geahndeten Mindestlohnverstößen«. Aber selbst der Mindestlohn schütze nicht vor Armut, so der Bundestagsabgeordnete. Er plädierte für eine Erhöhung auf 15 Euro.
Vor der Sommerpause des Parlaments will Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) einen Gesetzentwurf vorlegen, um »die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Kampf gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung zügig« zu verbessern. Man wolle »Menschen vor Ausbeutung schützen und staatliche Einnahmen sichern«, so der Sozialdemokrat. Gerade letzteres dürfte die in Sachen Arbeitsrechte ansonsten schlafenden Hunde geweckt haben. Die Anfang Juli vorgestellte Zolljahresbilanz hatte eine Schadenssumme von 766 Millionen Euro beziffert, die dem Staat 2024 wegen besagter Vergehen durch die Lappen ging.
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