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Aus: Ausgabe vom 19.06.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Leistung verweigert

Zu jW vom 13.6.: »Bahn-Fahren wird teurer«

Ein besonders schönes Detail der teuren Sitzplatzreservierungen sollte man noch erwähnen. Bei ausgefallenen Zügen, Änderung der Zugnummer oder verpassten Anschlüssen verfallen die Sitzplatzreservierungen entschädigungslos. Die Fahrgäste bezahlen für eine Leistung, welche ihnen von der Deutschen Bahn verweigert wird, und bekommen den Preis dieser vorenthaltenen Leistung nicht erstattet, im Gegensatz zum Fahrpreis. Bei der SNCF (Nationale Gesellschaft der französischen Eisenbahnen, jW) ist dagegen der Sitzplatz in Fernzügen nicht nur selbstverständlich im Fahrpreis enthalten, sondern wird bei Verspätung oder Ausfall sogar automatisch erstattet. Wie das deutsche Staatsunternehmen mit seinen Kunden umspringt, ist auch ein Indiz für das Verhältnis der neudeutschen Obrigkeit zu ihren Bürgern.

Jan Henry Großer, Berlin

Wunderkind

Zu jW vom 11.6.: »Fresh«

Sylvester Stewart galt als musikalisches Wunderkind. Mit sieben Jahren beherrschte er bereits meisterhaft Keyboard und mit elf auch Gitarre, Bass und Schlagzeug. Noch in der Highschool konzentrierte sich Sylvester hauptsächlich auf die Gitarre und schloss sich mehreren Schulbands an. Eine davon waren die Viscaynes, eine Doo-Wop-Band, in der Sylvester und sein Freund Frank Arellano – ein Filipino – die einzigen nichtweißen Mitglieder waren. Die Tatsache, dass die Gruppe integriert war, machte die Viscaynes in den Augen ihres Publikums »hip« und inspirierte später Sylvester zu seiner Idee der multikulturellen Family Stone. Mitte der 1960er Jahre arbeitete Stone als Discjockey für den Soul-Radiosender KSOL in San Francisco, Kalifornien, wo er weiße Künstler wie die Beatles und die Rolling Stones in seine Playlists aufnahm. Im selben Zeitraum arbeitete er als Plattenproduzent und produzierte für überwiegend weiße Bands aus der Gegend von San Francisco wie The Beau Brummels, The Mojo Men, Bobby Freeman und Grace Slicks erste Band, The Great Society. Während er bei KSOL weiterhin »Musik für Körper, Geist und Seele« lieferte, spielte Sly Stone Keyboard für Dutzende großer Künstler, darunter Dionne Warwick, Righteous Brothers, Ronettes, Bobby Freeman, George & Teddy, Freddy Cannon, Marvin Gaye, Dick & Dee Dee, Jan & Dean, Gene Chandler u. v. a., darunter auch bei mindestens einem der drei Twist-Party-Konzerte des damaligen Chartstürmers Chubby Checker, die 1962 und 1963 in San Francisco stattfanden. Die Konzerte wurden von »Big Daddy« Tom Donohue und Bobby Mitchell vom Radiosender KYA 1260 AM zusammengestellt und größtenteils von Jerry Marcellino und Mel Larson choreographiert, die später viele Motown-Künstler produzierten, darunter Michael Jackson, Diana Ross und einige der anderen Topkünstler dieser Zeit. 1966 trat Sly mit seiner Band Sly and The Stoners auf. Sein Bruder Freddie spielte mit Greg Errico und Jerry Martini in seiner Band Freddie and The Stone Souls. Eines Abends standen die beiden in der Küche und beschlossen, die Bands zu fusionieren. Larry Graham, der Musik studiert und in zahlreichen Gruppen gearbeitet hatte, wurde ebenfalls aufgenommen. Diese multiethnische Band, die 1967 in der Bay Area auftrat, hinterließ einen starken Eindruck. Später, 1968, stieß Rose Stone zur Band. Sly & The Family Stone waren geboren.

Wolfgang Ackermann, Bergen (Norwegen)

Verblendeter Verblendungszusammenhang

Zu jW vom 14./15.6.: »›Wir brauchen keine Ökonomen, sondern dystopische Autoren‹«

Nach dem Lesen des Interviews mit Franco Berardi kam bei mir spontan die Vermutung auf, dass das Ganze eine Satire auf die Scheinwelt von heute sein müsse. Nachdem mir aber der letzte Satz, dass er »keinen Prozess eines Neuaufbaus, einer Neukomposition«, sondern das »Aussterben der menschlichen Zivilisation« fürchte und die Älteren wie auch die Jungen nur noch wenige Antriebe des Psychosexuellen mehr empfänden und sich »bevorzugt« statt dessen auf die Automaten verlassen sollten, wich bei mir die anfängliche Unsicherheit dem Zorn. Die Geißelung des Körperlichen, die bekanntlich nach dem Siegeszug des Christentums begann, und damit die Entfremdung von den eigenen körperlichen und emotionalen Bedürfnissen, die mit der Arbeitsteilung bis heute vorherrscht, hatte Ursachen, die wohl kaum einer »weißen Mythologie« zuzuschreiben sind. Dass die Menschheit nicht nur körperlich, sondern in steigender Intensität kognitiv-emotional ausgebeutet wird, geschenkt. Ökonomie als »Aufmerksamkeitsökonomie« (?) zu kennzeichnen und gleich noch als »Hyperkolonialismus« als Beigabe, macht die Sache auch nicht klarer. Dystopien im Sozialen und Depressivität im Individuellen haben ja wohl einen völlig anderen Hintergrund. Es ist eine Binsenweisheit, dass Konsumismus und mediale Massenneurosen via Smartphone u. ä. die notwendigen Hilfsmittel zur Einhegung etwaiger »Störer« und zur Konditionierung des »richtigen« Verhaltens sind. Da lob ich mir dann doch eher den Adorno und den Horkheimer, um zu wissen, wie Kapitalismus den »Verblendungszusammenhang« herstellt. Weitaus gefährlicher sind die Wandlungen, die sich in der »Verpolizeilichung der Wissenschaften« (J. Hirsch) und Bildung abspielen. Hirsch spricht dabei von einer »Verdoppelung« des Staates durch den Ausbau des »Verwaltungs-, Ermittlungs- und Inquisitionswissens«, das immer mehr »Züge eines unkontrollierten ›Staates im Staate‹ annimmt«. Diese bereits 1968 von J. Hirsch beschriebene Zurichtung der gesamten Administration unter Einbeziehung von MAD, BND und »Verfassungsschutz«-Organen findet bekanntlich längst statt und liefert die Software für Rüstungswahn und Kriegstüchtigkeit. Und zugegeben: Das könnte schon depressiv machen und zu Dystopiephantasien führen! Diese zutiefst depressiven Einschätzungen Berardis widersprechen allerdings sehr seinem eigenen Anspruch, marxistisch zu denken.

Manfred Pohlmann, Hamburg

Bei der SNCF ist dagegen der Sitzplatz in Fernzügen nicht nur selbstverständlich im Fahrpreis enthalten, sondern wird bei Verspätung oder Ausfall sogar automatisch erstattet

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