Alarmist des Tages: NIQ
Von Felix Bartels
Mode macht uns schöner. Auch wenn es Wichtigeres gibt. Aber das gilt ja von jeder Sache. Nicht mal leben ist alles im Leben. Die Marktforschungsagentur NIQ zeigt sich besorgt. In Deutschland spiele Mode eine geringere Rolle als in anderen europäischen Ländern. 547 Euro gab der ideelle Gesamtbundesbürger 2024 für Bekleidung und Schuhe aus. Der europäische Schnitt liegt bei 772 Euro pro Kopf. NIQ-Fachmann Filip Vojtech bezeichnete die Deutschen daher als Modemuffel. »Der Anteil der Menschen, die wenig Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild legen, ist in Deutschland sehr hoch.« Weil gute Kleidung immer teuer sein muss nämlich. Wie schaffen so viele Leute es bloß, trotz geringem Einkommen einigermaßen geschmackvoll durch die Gegend zu laufen? Ganz zeitgemäß übersetzt man beim NIQ soziale Dinge in kulturelle.
Dann muss es in der Tat völlig rätselhaft scheinen, dass die Länder, in denen am meisten für Mode ausgegeben wird, auch hohe Reallöhne haben. Luxemburg etwa, wo 1.777 Euro pro Kopf für Bekleidung verausgabt werden, oder die Schweiz mit 1.096 und Norwegen mit 1.034 Euro. Die nächsthin folgenden – Großbritannien (991), Frankreich (954) und Spanien (921) – gehören auch nicht zu den ärmsten des Kontinents, und betrachtet man die Preisentwicklung der letzten Jahre, von der der Reallohn immerhin abhängig ist, liegt Deutschland ein ganzes Stück weiter hinten. Die Jahre 2022 und 2023 hindurch stand die monatliche Inflationsrate zwischen fünf und zwei Prozent höher als in Frankreich, Großbritannien und Spanien. Schlusslicht in der europäischen Liste ist übrigens Rumänien mit 375 Euro.
Und während man bei NIQ weiter über kulturelle Eigenheiten der Deutschen rätselt, weiß man dort eins ganz genau: Mit der vorhandenen Kaufkraft hat die Bereitschaft, Geld für Klamotten auszugeben, nichts zu tun.
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