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Aus: Ausgabe vom 18.06.2025, Seite 15 / Antifaschismus
Kirche und Faschismus

Ausbeutung und Indoktrination

Spanien: Katholiken entschuldigen sich für Beteiligung an faschistischen Verbrechen. Opfer wollen Klage
Von Carmela Negrete
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Der als Versöhnungsakt für die jungen weiblichen Opfer des Franquismus gedachte Tag endete mit Protest. »Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung! Weder Vergessen noch Vergebung!« skandierten am 9. Juni zahlreiche Frauen aus dem Publikum bei einer Veranstaltung in den Räumen der katholischen »Fundación Pablo VI« in Madrid. Dort hatte die Confer, die »Spanische Konferenz der Ordensleute«, im Rahmen des Gedenkens an das Ende der Franco-Diktatur vor 40 Jahren eine Veranstaltung organisiert. Der Präsident der Confer, Jesús Díaz Sariego, entschuldigte sich für die Beteiligung der katholischen Kirche an den zahlreichen Verbrechen des spanischen Faschismus. Mit dem Event wolle man »das Schweigen« brechen.

Die Institution »Patronato de Protección a la Mujer« (Patronat für den Schutz der Frauen), in der noch bis 1985 Mädchen und Frauen eingesperrt wurden, unterstand dem spanischen Justizministerium. Die Anstalten wurden von katholischen Orden betrieben. Vordergründig sollten sie die Prostitution von Minderjährigen bekämpfen. Tatsächlich ging es aber vor allem darum, missliebige Frauen einzusperren, darunter auch Homosexuelle, deren Sexualität dem Regime nicht passte.

In den Anstalten des Patronato wurde zwischen psychisch kranken Frauen, armen Prostituierten und minderjährigen Opfern sexualisierter Gewalt, die schwanger geworden waren, nicht unterschieden. Mindestens eines dieser knastähnlichen Zentren in Madrid war Teil eines Netzwerks, das den Diebstahl von Babys organisierte. Das ist auch einer der Gründe, warum die Frauen, die dort misshandelt und entmenschlicht wurden, bis heute nicht damit abschließen können. Einige befürchten, dass ihre Kinder noch leben könnten, andere, dass sie aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen und mangelhaften medizinischen Versorgung tatsächlich gestorben sind.

Consuelo García del Cid, eine Überlebende des Patronato, hat ihr Leben dem Kampf für Gerechtigkeit und der Vernetzung der Opfer gewidmet. Bei der Veranstaltung berichtete sie von den Erniedrigungen und Misshandlungen, die sie in der Einrichtung aufgrund ihrer Homosexualität erlebte, und beklagte »Ausbeutung der Arbeitskraft, extreme religiöse Indoktrination, Straf- und Isolationszellen«. Dass diese Anstalten über die Diktatur hinaus weiter bestanden, empört sie: »Die Demokratie ist uns zehn Lebensjahre schuldig, und in diesem Fall liegt die Verantwortung bei der spanischen Regierung, beim Justizministerium.«

Anschließend erklärte García del Cid vor der Presse, dass die Organisatoren sie zensiert hätten und nicht wollten, dass sie über die gestohlenen Babys sprach. Die kirchliche Entschuldigung hält sie nicht für glaubwürdig. Statt dessen bereite man als Opfergruppe eine gemeinsame Klage vor. »Spanien muss wissen, was das Patronato de Protección a la Mujer war: eine faschistische Institution, die Minderjährige in Erziehungsanstalten einsperrte, ohne dass diese ein Verbrechen begangen hatten.«

Die ebenfalls anwesende EU-Abgeordnete von Podemos, Irene Montero, forderte die Öffnung der Archive, die das Patronato betreffen. Die Kirche habe sich zwar entschuldigt, doch viele Opfer wollten Akten sehen, während sich die Institution weigert, diese öffentlich zu machen. Auch die spanische Regierung müsse alle verfügbaren Archivmaterialien herausgeben, um »die Wahrheit ans Licht zu bringen«.

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