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Aus: Ausgabe vom 17.06.2025, Seite 16 / Sport
Handball

Rotflut und Rutschgefahr

Der SC Magdeburg gewinnt zum dritten Mal die Champions League im Herrenhandball. Von Ken Merten
Von Ken Merten
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Tankt sich durch: Mathias Gidsel (Mitte) von den Füchsen Berlin im Champions-League-Finale gegen den FC Magdeburg (München, 15.6.2025)

Eigentlich unnötig, aber wer sich über das zunehmende Brimborium rund um das Final Four der Champions League im Herrenhandball beschwert, hat vergangenes Wochenende Munition bekommen: bekloppte Beyoncé-Cover, AC/DC- und Queen-Verhunzungen, ein furchtbares Medley aus Michael-Jackson-Songs und ein Mash-up aus Europe und Eminem, das einer Menschenrechtsverletzung gleichkam. Die Eventisierung des Finalturniers in Köln aber störte nicht nur vor den Begegnungen: Die Platte war am Sonnabend ausgesprochen rutschig. Bei der Suche nach der Ursache kam zum einen der Wetterumschwung in der Domstadt zur Sprache; andererseits wurde gemutmaßt, dass Rückstände der Pyroshow den Boden glatt machten.

Entsprechend waren beide Semifinalbegegnungen Rutschpartien: Die Füchse Berlin mussten ab der neunten Minute auf den dänischen Welthandballer Mathias Gidsel verzichten; der 26jährige Halbrechte verlor bei einer Abwehrsituation am eigenen Kreis den Halt und grätschte dabei Kauldi Odriozola, den spanischen Rechtsaußen des französischen Vizemeisters, weg, dass sich Gennaro Gattuso gefreut hätte. Ein Unfall, den das Schiedsrichterduo mit rot bestrafte und damit die Linie fürs Wochenende festlegte.

Gidsel wiederum nahm es positiv: Der deutsche Meister siegte auch ohne ihn souverän gegen die erschreckend schwachen Außenseiter der Finalrunde mit 34:24 (18:12), und Gidsel ging ausgeruhter ins Finale. Vor allem der serbische Nationaltorhüter Dejan Milosavljev (29) brachte die Bretonen vor gut 20.000 Zuschauerinnen und Zuschauern mit 15 Paraden zur Verzweiflung.

Ausgeglichener war die Abendpartie: Titelverteidiger FC Barcelona traf auf den SC Magdeburg. Letzterer konnte auf seinen isländischen Spielmacher Gísli Kristjánsson (25) setzen, der mit einer Schulterverletzung zwar das Saisonfinale der Bundesliga verpasste, sich für das Final Four jedoch, wenn schon nicht völlig fit, einsatzbereit meldete. Bester Werfer für den deutschen Vizemeister aber wurde Kristjánssons Nationalmannschaftskollege Ómar Ingi Magnússon mit elf Treffern. Barça führte zwar weite Teile des Spiels, der SCM kämpfte sich jedoch aus jedem Rückstand zurück.

Für die Katalanen wurde die Schiedsrichterlinie zum Negativfaktor: Erst musste noch in der ersten Spielhälfte ihr brasilianischer Defensivmotor Thiagus Petrus nach Halstreffer an Kristjánsson mit rot runter, kurz vor Schluss dann innerhalb von 30 Sekunden Jonathan Carlsbogård und Aitor Ariño. Beim Stand von 30:30 in der Schlussminute hatten die Magdeburger in doppelter Überzahl die Chance, das Spiel zu entscheiden: Trainer Bennet Wiegert nahm zwölf Sekunden vor Schluss eine Auszeit. Sein Team reizte darauf den Angriff vollends aus, der Ball kam zum rechten Flügel Tim Hornke, der mit der Schlusssirene zum Endstand (31:30; 18:18) einschweißte.

Für den durch die Fußballabteilung querfinanzierten FC Barcelona war die Enttäuschung groß und auch am Folgetag spürbar: Motivierte Westfranzosen schlugen im Spiel um Platz drei freudlose Katalanen mit 30:25 (14:9). Die gehen nun in den personellen Umbruch: Zehn Spieler werden Barça im Sommer verlassen.

Das Finale zwischen Berlin und Magdeburg wiederum begann mit beiderseitiger Nervosität. Dann aber zeigte der SCM die Qualitäten, die er in den drei bisherigen Partien gegen Berlin in dieser Saison (ein Unentschieden, zwei Niederlagen) vermissen ließ: Der lädierte Kristjánsson ging unnachahmlich wieder und wieder ins Eins-gegen-eins. Er warf insgesamt acht Tore. Der spanische Keeper Sergey Hernández (28) steuerte 18 Paraden bei, und sein Landsmann, der Abwehrspezialist Antonio Serradilla (26), nahm zum Abschied – er wechselt nach Stuttgart – Mathias Gidsel weitgehend aus dem Spiel. Zumindest bis zur 34. Minute, als Serradilla den Berliner Kreisläufer Mijajlo Marsenić mit dem Arm im Gesicht traf und disqualifiziert wurde. Die Regelauslegung, dass jeder Nasenstüber nun gleich einen Platzverweis zur Folge haben sollte, wird nunmehr diskutiert werden.

Indiskutabel ist wiederum, dass der SC Magdeburg das Finale verdient für sich entschied: 32:26 (16:12) hieß es am Ende. Das deutsch-deutsche Endspiel weckt wiederum das Begeher nach einem dritten Champions-League-Startplatz für die Bundesliga, die sich nicht zu Unrecht als »stärkste Liga der Welt« lobt.

Was bei den Männern aber Prestige und Geld bedeutet, heißt bei den Frauen Mehrkosten: Der Thüringer HC hat sich als Dritter der Bundesliga-Play-offs für die Champions League qualifiziert. Die Erfurterinnen verzichten: Sie können sich eine Teilnahme nicht leisten.

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