Geschichtserklärer des Tages: Burkhard Bley
Von Felix Bartels
Verhüllen können sie. Am Wochenende haben Aktivisten in Schwerin ein Lenindenkmal eingewickelt. Burkhard Bley, der Landesbeauftragte für Aufarbeitung der SED-Diktatur, erwähnte den »roten Terror«, der sich »brutal und blindwütig gegen vermeintliche Feinde richtete«. Hierunter sollen auch »35.000 deutsche Zivilisten« fallen, die Zwangsarbeit zu leisten hatten oder hingerichtet wurden.
Die letzte Hinrichtung in der DDR fand am 26. Juni 1981 statt. Zwischen 1949 und 1981 vollstreckte man 160 Todesurteile, die Hälfte davon bis 1956. 40 Prozent der Hingerichteten waren NS-Verbrecher, 32 wegen »politischer Straftaten«, 28 wegen Mordes oder sexualisierten Mordes verurteilt. Zumindest letzteres kennt man noch heute, aus den USA etwa. So sehr sich versteht, dass die Todesstrafe ein überholtes, inhumanes Rechtsmittel ist, lässt sich über vergangene Epochen nicht einfach außer Kontext mit zumal affektiv besetzten Maßstäben urteilen. Wer das dennoch tut, verhüllt mehr, als er freilegt. Lenin wiederum hat eine weitere Epoche früher eine Revolution geführt, die nicht aufgrund eines sinistren Plans in die Welt trat, sondern als negative Entladung eines barbarischen Systems, unter dem Millionen Menschen ein Leben führen mussten, das diesen Namen nicht verdient. Der rote Terror war eine Antwort auf den weißen Terror, den Bürgerkrieg mitsamt Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung, und den als »Interventionskrieg« bekannten Überfall imperialistischer Streitmächte. Ihm voraus ging zudem der ganz schnöde Alltagsterror des Zarismus mit Höhepunkten wie dem Petersburger Blutsonntag.
Und da ein bissl Whataboutism noch keinem geschadet hat: Während seit 1990 unzählige Lenindenkmäler planiert wurden, düst man in Berlin noch heute munter über einen Hindenburgdamm. Bley, übernehmen Sie?
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Ansichten
-
Vollendung
vom 17.06.2025
Der Sieger bestimmt die Geschichtsschreibung und – welche Denkmäler verhüllt – oder entfernt werden. Nicht auszudenken, was sich an nationalem Gedenken alljährlich am 20. April jetzt abspielen würde, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. Übrigens: War die spektakuläre Verhüllung des Bundestages nicht eine Prophezeiung dessen, dass in den Jahrzehnten danach der Vorhang über der Demokratie und ihrer Theaterkulisse langsam aber stetig fallen würde?