Riesige Proteste in den USA
Von Volker Hermsdorf
Während in Deutschland wieder einmal der Untertanengeist zur vorherrschenden Haltung geworden ist, regt sich in den USA der zivile Widerstand. Am Wochenende demonstrierten landesweit Millionen Menschen gegen die zunehmend autoritäre Politik der Regierung von Präsident Donald Trump. In allen 50 Bundesstaaten – von Großstädten wie New York, Los Angeles und Chicago bis in ländliche Regionen – fanden unter dem Motto »No Kings« über 2.000 Protestaktionen statt. In Salt Lake City wurde dabei ein Teilnehmer angeschossen. Der symbolträchtige »Tag ohne Könige« hat sich zur bislang größten Protestwelle gegen Trumps zweite Präsidentschaft entwickelt.
Die Demonstranten wehren sich gegen Trumps »rassistische und ausgrenzende« Migrationspolitik und seine Angriffe auf das Gesundheits- und Bildungssystem. Sie warfen ihm vor, seine Befugnisse zu überschreiten, mit der Unterstützung des israelischen Regimes zur Eskalation der Spannungen im Nahen Osten beizutragen und mit seinen monarchischen Allüren wie ein König regieren zu wollen. Auslöser der Aktionen war eine militärische Machtdemonstration in Washington, wo der Präsident an seinem 79. Geburtstag am Sonnabend einen pompösen Aufmarsch der Streitkräfte inszenierte. Offizieller Anlass für die Show war das 250jährige Bestehen der US-Armee – doch tatsächlich ging es Trump angesichts zunehmender Kritik an seiner Amtsführung wohl eher um eine Demonstration von Stärke. 6.000 Soldaten, 150 Panzerfahrzeuge und 50 Kampfjets bildeten die Kulisse für eine martialische Rhetorik in der Hauptstadt. »Das ist kein Ausdruck von Patriotismus, sondern ein Zurschaustellen von Macht«, erklärte Naveed Shah von der Organisation Common Defense, ein Veteran der US-Armee, bei einer Protestkundgebung in Philadelphia. Laut einer Umfrage lehnen rund 70 Prozent der ehemaligen US-Soldaten Trumps Militärspektakel ab.

Während Trump seinen Geburtstag trotzdem auf diese Art zelebrierte, reagierten große Teile der Bevölkerung mit flächendeckenden Protesten. In New York marschierten Zehntausende auf der Fifth Avenue, in Chicago füllten Massen die Daley Plaza mit Rufen wie »Trump must go!« (Trump muss weg!). In Los Angeles, wo laut lokalen Medien mehr als 20.000 Menschen zusammenkamen, wurde ein sechs Meter hoher Ballon in Form eines Trump-Babys durch die Straßen getragen. Auch in kleinen Städten wie Adrian (Michigan), Woodstock (Virginia) oder Westport (Connecticut) gingen Hunderte Menschen auf die Straße.
Die Forderungen waren eindeutig: Nein zur autoritären Politik der Regierung, nein zur Repression gegen Migranten, nein zur Militarisierung der Innenpolitik. Besonders kritisiert wurden die Razzien der Einwanderungsbehörde ICE, die in den vergangenen Wochen vermehrt Menschen in Wohngebieten, Kirchen und an Arbeitsplätzen verhaftet hatte. Ein Pastor protestierte gegen die Festnahme eines Gemeindemitglieds direkt vor seiner Kirche. »Wir dachten nie, dass sie bis an unsere Türen kommen würden«, sagte er. Die Exekutive antwortete auf den Protest mit verschärfter Repression. In Los Angeles eskalierte die Situation, als Einsatzkräfte Tränengas abfeuerten. Auch in Georgia setzte die Polizei bei einer Anti-ICE-Demonstration Tränengas ein und nahm zahlreiche Personen fest. In Florida wurden Protestierende auf dem Weg zu Trumps Wohnsitz Mar-a-Lago von der Polizei gestoppt. Wie örtliche Medien berichteten, reagierten Demonstranten an mehreren Orten mit Woody Guthries Lied »All you Fascists Bound to Lose« (Ihr Faschisten werdet alle verlieren).

Die Organisatoren der Proteste, darunter das Bündnis »50501 – 50 States, 50 Protests, One Movement« sowie Gruppen wie »Indivisible«, hatten auf deren Breite gesetzt. Ihr Ziel – kein Massenmarsch in Washington, sondern eine landesweite Mobilisierung dort, wo die Menschen leben – dürften sie erreicht haben. Trump selbst reagierte wie gewohnt und machte sich über die Vorwürfe lustig. »Ich bin kein König, ich muss durch die Hölle, um etwas beschlossen zu bekommen«, sagte er. Noch im Februar hatte er selbst jedoch einen Tweet mit den Worten »Long live the King« (Lang lebe der König) beendet. Überschattet wurden die Aktionen von zwei Angriffen auf demokratische Politiker im Bundesstaat Minnesota. Die Abgeordnete Melissa Hortman und ihr Ehemann wurden in ihrem Haus erschossen, der Senator John Hoffman und seine Ehefrau schwer verletzt. In Texas wurden zur selben Zeit »glaubhafte Drohungen« gegen weitere Mandatsträger bekannt, was zur Absage einer geplanten Kundgebung in Austin führte. Die genauen Hintergründe sind noch unklar, doch viel spricht dafür, dass es sich in dem durch Trumps Politik aufgeheizten Klima des Hasses um politisch motivierte Anschläge handelte.
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