Maskenball im Parlament
Von Klaus Fischer
Seit Tagen ist Jens Spahn Mode im Berliner Politikzirkus. Dem früheren CDU-Gesundheitsminister im letzten Merkel-Kabinett hängen schon längere Zeit ein paar »Skandale« im Zusammenhang mit der Maskenbeschaffung im Coronachaos am Hacken. Bis dato hat er allerdings mit ein paar Ausreden und Dementis vermeiden können, dass er gestellt wird. Dabei geht es mutmaßlich um Milliardenverluste, Fehlinformationen und Kungelei, wie ein bislang unter Verschluss gehaltener Bericht der Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof (SPD) beweisen soll, von dem Teile vergangene Woche an die FAZ durchgestochen worden waren.
Kern der Sache ist demnach: Das Ministerium unter dem damaligen Ressortchef Jens Spahn habe zugelassen, dass Maskenlieferverträge ohne weitere Verhandlungen zu festen Preisen zustande kamen. Vielfach verweigerte die Behörde später die Bezahlung und machte Qualitätsmängel geltend. Daraufhin klagten Lieferanten. Zudem soll der Exminister eine Spedition aus seiner politischen Heimat NRW »ohne Teilnahmewettbewerb« bei der Logistik der Maskenbeschaffung bevorzugt haben, wie die Süddeutsche Zeitung vergangene Woche anmerkte.
Spahn verteidigte das Vorgehen. »Das war eine Jahrhundertkrise und eine Ausnahmesituation«, sagte der CDU-Politiker dazu im Podcast Table.Today. Und, »ja, klar habe ich in der Notlage zuerst mit Leuten geredet, die ich kannte, um zu fragen, wer helfen kann. Und ja, wir haben alles ohne Ausschreibung gemacht. Wie hätte das gehen sollen mit einem Ausschreibungsverfahren, das drei oder sechs Monate dauert?«
Solche Anschuldigungen hatten in Vor-Merkel-Zeiten schon mal dazu geführt, dass die betroffene Persönlichkeit retirieren musste. Nicht so der derzeitige Fraktionschef der Union. Der stieg sogar zum »Hoffnungsträger« einer CDU auf, die anscheinend keine Peilung mehr hat, was dieser Begriff bedeuten soll. Statt Aufklärung und korrekter Informationen an Parlament und Öffentlichkeit, wird weiter verschleiert, verzögert und versucht, den Schwarzen Peter an diejenigen weiterzureichen, die Aufklärung fordern.
»Bei der Durchstecherei von einzelnen Teilen eines Berichts, den weder wir noch die Öffentlichkeit kennen, geht es erkennbar nicht um Aufarbeitung, sondern um den Versuch, die Person Jens Spahn zu diskreditieren«, beklagte sich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am Sonnabend in der Rheinischen Post. Und die jetzt zuständige Gesundheitsministerin Nina Warken machte am vergangenen Donnerstag klar, dass es so weitergehen werde: »Es sind personenbezogene Daten und laufende Prozesse betroffen, so dass eine Übermittlung der Dokumente so, wie sie sind, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich ist«, sagte die CDU-Politikerin bei einer Pressekonferenz in Weimar am Donnerstag.
Dabei hatte Warken zuvor erklärt, dass sie das Parlament umfassend über den Sudhof-Bericht informieren werde. Sie wolle dem Bundestag nach eigenen Worten Informationen aus dem bislang geheimgehaltenen Untersuchungsbericht zugänglich machen. »Selbstverständlich werden wir dem Haushaltsausschuss über unsere Erkenntnisse zu den Maskenkäufen berichten«, versprach Warken in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Das Problem an der ganzen Aufklärungssache ist, dass die maßgeblichen Politikkampfgruppen – SPD und CDU/CSU – seit einer politischen Ewigkeit praktisch in gemeinsamer Regierungsverantwortung sind und sich nun nicht unbedingt bekriegen wollen. Mutmaßlich deshalb dürfte auch Karl Lauterbach (SPD) das von ihm während der Ampelregierungszeit in Auftrag gegebene Sudhof-Papier schlicht ignoriert haben. »In der heißen Phase des Wahlkampfes oder in meiner kommissarischen Zeit als Minister habe ich das Gutachten nicht veröffentlicht«, zitierte dpa aus einem X-Post Lauterbachs. Er habe selbst mit ihr den Inhalt des Gutachtens bis heute nicht ein einziges Mal besprochen.
Allerdings dürfte Jens Spahn noch nicht ganz aus dem Schneider sein. Denn nicht nur Bündnis 90/Die Grünen blasen zur Jagd auf ihn. Auch in den eigenen Reihen gibt es Unmut. Seine derzeitige Position in der CDU, die von Insidern als kommender »Bundeskanzler auf Abruf« beschrieben wird, hat auch innerparteiliche Gegner wach werden lassen. Nicht jeder von denen ist froh darüber, dass der umtriebige Politikwissenschaftler derzeit den Kronprinzen gibt.
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