Aggression und Reaktion
Von Jörg Kronauer
Israel hat seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Iran am Wochenende fortgesetzt und dabei neben militärischen Stellungen erneut auch Atomanlagen, Irans Energieversorgung, Regierungsgebäude und Wohnhäuser zerstört oder beschädigt. Getroffen wurden neben Raketensilos unter anderem Treibstofflager, Fördereinrichtungen am Erdgasfeld South Pars – einem der größten der Welt –, das Verteidigungsministerium und zum wiederholten Male die Atomanlage Isfahan. Über womöglich austretende radioaktive Strahlung war bis Redaktionsschluss nichts bekannt. Bis Sonntag mittag waren laut Angaben des Roten Halbmondes 18 der 32 iranischen Provinzen von Angriffen betroffen; die Zahl der Todesopfer war unklar, dürfte aber laut den vorhandenen Angaben iranischer Agenturen im dreistelligen Bereich liegen. Auch am Sonntag nachmittag dauerten die israelischen Angriffe an. Verteidigungsminister Israel Katz hatte zuvor gedroht, sollte Iran sich verteidigen, werde »Teheran brennen«.
Iran verteidigte sich und griff mehrere israelische Städte mit Raketen an. Tel Aviv räumte bis Sonntag mittag insgesamt 22 Einschläge, 13 Todesopfer und fast 400 Verletzte ein. Die Zahlen dürften – wie die Opferzahlen Irans – zu niedrig sein. Getroffen wurde, wie Videos belegen, unter anderem das Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rehovot. Ziel wurden zudem laut Angaben der iranischen Revolutionsgarden Fabriken, in denen israelische Kampfjets hergestellt werden, sowie Treibstofflager für Flugbenzin. Parallel teilte Teherans Außenminister Abbas Araghtschi mit, man sei zur Deeskalation bereit. Der israelische Angriff habe nicht eine angeblich kurz vor Vollendung stehende iranische Nuklearwaffe verhindern, sondern die Atomverhandlungen mit Washington stoppen sollen. Er stellte in Aussicht, sobald Israel »die Aggression beendet«, werde »auch unsere Reaktion enden«.
US-Medien wie die New York Times räumten am Wochenende unumwunden ein, Araghtschis Äußerung, Israel habe mit dem Angriff einen neuen Nukleardeal verhindern wollen, werde in der außenpolitischen Community weithin geteilt. Manche wiesen darauf hin, dass Israel bereits in seiner ersten Angriffswelle unter anderem Ali Shamkhani umbrachte; er galt als Kopf der iranischen Verhandlungsstrategie. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu rief unterdessen zum Umsturz auf. Die iranische Bevölkerung müsse für die »Freiheit« und »gegen dieses böse und mörderische Regime« kämpfen, erklärte er in einer auch auf persisch verbreiteten Stellungnahme. In Washington wurden eilig Dutzende Mitarbeiter des persischsprachigen Dienstes von Voice of America zurückgerufen, die zuvor – wie fast alle Angestellten des Staatssenders, den US-Präsident Donald Trump eigentlich auflösen will – zwangsbeurlaubt worden waren.
Den Sturz der iranischen Regierung forderte auch der in den USA lebende Schahsohn und »Kronprinz« Reza Pahlavi, die Galionsfigur der iranischen Exilmonarchisten, der Israel einst einen Friedensschluss angeboten hatte und bei westlichen Regierungen an Popularität gewinnt. In Iran ist er freilich unbeliebt. Unterdessen zeichnet sich eine weitere regionale Eskalation ab. Die jemenitischen Ansarollah teilten mit, mehrere Raketen auf Israel abgefeuert zu haben. Israel bombardierte seinerseits den Jemen. Proiranische Milizen im Irak verlangten den Abzug der US-Truppen aus ihrem Land, da diese israelischen Jets den irakischen Luftraum geöffnet hätten.
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