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Aus: Ausgabe vom 14.06.2025, Seite 6 / Ausland
Kenia

»Gerechtigkeit für Albert«

Kenia: Erneut Proteste gegen Polizeigewalt nach Tod von Blogger in Gewahrsam
Von Sven Kurz, Nairobi
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»Ruto muss gehen«: Seit Monaten wird die Opposition in Kenia mit willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und »Verschwindenlassen« verfolgt (Nairobi, 9.6.2025)

Kenia kommt nicht zur Ruhe: Tausende Demonstranten gingen am Donnerstag in Nairobis Zentrum auf die Straße, um Gerechtigkeit für Albert Ojwang zu fordern, einen Lehrer und Blogger, der in Polizeigewahrsam starb. Die Protestierenden trugen schwarze T-Shirts und schwenkten Plakate mit Aufschriften wie »Gerechtigkeit für Albert« und »Stoppt Polizeibrutalität«. Die Demonstrationen entwickelten sich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei, die Tränengas und Gummigeschosse einsetzte. Fahrzeuge wurden in Brand gesetzt, und Geschäfte schlossen ihre Türen. In seiner Freizeit bloggte Ojwang auf X und Facebook über politische und gesellschaftliche Themen und spiegelte damit die Frustrationen vieler junger Kenianer wider, die von Korruption und wirtschaftlicher Stagnation desillusioniert sind.

Ojwang war vergangene Woche in Kasipul verhaftet worden, nachdem der stellvertretende Generalinspekteur der Polizei, Eliud Lagat, eine Verleumdungsklage gegen ihn eingereicht hatte. Über 350 Kilometer wurde er nach Nairobi transportiert und in der Central Police Station inhaftiert. Einen Tag später wurde er tot in seiner Zelle aufgefunden. Eine von Regierungspathologen durchgeführte Autopsie ergab, dass er an Kopfverletzungen, Halskompression und mehrfachen Gewebeverletzungen gestorben war, was laut Medizinern auf schwere Misshandlungen hindeutet. Suizid wurde ausgeschlossen. Ein Krankenhausbericht widersprach den Polizeiangaben deutlich: Ojwang sei bereits tot gewesen, als er um zwei Uhr morgens ins Krankenhaus gebracht wurde, obwohl die Polizei behauptete, ihn zur medizinischen Behandlung dorthin transportiert zu haben.

Die Demonstrationen begannen entlang der Haile Selassie Avenue und breiteten sich schnell auf andere Straßen des Geschäftsviertels aus. Polizei und Demonstranten lieferten sich Straßenschlachten an mehreren Brennpunkten. Die Einsatzkräfte setzten Tränengas und Gummigeschosse ein, während Demonstranten Fahrzeuge in Brand setzten und Vandalismus verübten. Anscheinend griffen Polizisten zu scharfer Munition, um die Demonstranten zu zerstreuen – ein Protestierender wurde mit einer Patrone in der Hand fotografiert.

Unterdessen machen die Ermittlungen Fortschritte. Am Donnerstag wurde ein Beamter der Central Police Station festgenommen. Die Untersuchungen brachten schwerwiegende Unregelmäßigkeiten zutage: Die Festplatten des digitalen Überwachungssystems wurden am 8. Juni um exakt 7.23 Uhr ausgetauscht – unmittelbar nachdem Ojwang in die Station gebracht worden war. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt waren die Kameras »nicht in Betrieb«.

Die Demonstranten forderten den sofortigen Rücktritt des stellvertretenden Generalinspekteurs Lagat und warfen ihm vor, seine staatliche Macht zu missbrauchen, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Sie machten ihn direkt für Ojwangs Verhaftung und Tod verantwortlich. Vizepräsident Kithure Kindiki rief zur Ruhe auf und mahnte zur Einhaltung des ordentlichen Rechtsverfahrens. Die Proteste gingen am Freitag weiter. In Nairobis Geschäftsviertel brachen erneut Unruhen aus, während die Demonstranten ihre Forderung »Eliud Lagat muss gehen« bekräftigten. Bürgerrechtsgruppen und zivilgesellschaftliche Organisationen forderten Gerechtigkeit und Rechenschaft. In den sozialen Netzwerken entwickelten sich die Hashtags »JusticeForAlbertOjwang« und »ArrestEliudLagat« zu landesweiten Trends. Darüber hinaus erneuerten die Demonstranten ihre Forderung nach dem Rücktritt von Präsident William Ruto.

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