»Nahezu alle Parteien machen da mit«
Von Gitta Düperthal
Bundesweit soll an diesem Sonntag der erste nationale »Veteranentag« zelebriert werden. Etwa ein Jahr, nachdem der Bundestag dies mit großer Mehrheit beschlossen hat. Was bedeutet es aus Ihrer Sicht, der Bundeswehr so den roten Teppich auszurollen?
Es zeigt, wie die Militarisierung in der Gesellschaft voranschreitet. Das Soldatentum soll wieder hohe Relevanz erlangen. Die Normalisierung von Kriegen, an denen sich deutsche Truppen beteiligen, erfolgte bereits. Ich erinnere an den Jugoslawien-Krieg, an den (20 Jahre andauernden, jW) Afghanistan-Einsatz. Aktuell werden die Waffengeschäfte für den Ukraine-Krieg hochgefahren. Das sind Signale, die uns zeigen: Die politische Entwicklung geht Richtung Kriegsvorbereitung.
In Frankfurt am Main beispielsweise soll der Kaisersaal im Rathaus herausgeputzt werden. Wird der »Veteranentag« überall in der BRD mit Pomp begangen?
Mal wird der Tag zentral im Rathaus zelebriert, mal im Freien – auch mit Beteiligung des Oberbürgermeisters. Alle politischen Führungsebenen sind damit beschäftigt, soldatische Hierarchien und Positionen in der Gesellschaft herauszustellen, damit die wieder eine herausragende Rolle in der Bundesrepublik spielen. Nahezu alle Parteien machen da mit: Von der AfD, über CDU/CSU, FDP, SPD bis zu den Grünen, die einst eine antimilitaristische Ausrichtung hatten. Hier wird vorbereitet, dass die Zukunft vom Militarismus geprägt werden soll. Soziales, ökologische Notwendigkeiten, Investitionen in Bildung und Nachhaltigkeit: Die sollen künftig hinten anstehen.
Auch populäre Künstler lassen sich für das Begleitprogramm einspannen, in Berlin etwa Rockstar Bryan Adams. Wie geht die Friedensbewegung mit solchen propagandistischen Kooperationen um?
Stars dafür anzuwerben, ist auch eine Frage des Geldes. Die politische Priorität des Militärischen wird eine Dynamik auslösen. Aufgabe der Friedensbewegung ist, den Kulturkampf aufzunehmen und Widerstand zu organisieren. Dass einige prominente Sozialdemokraten ein Manifest herausgaben, um an eine andere Tradition anzuknüpfen, ist hilfreich. Für Entspannung und Vertrauensbildung zwischen Ost und West spielte 1975 die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, KSZE, eine wichtige Rolle, deren Schlussakte in Helsinki unterzeichnet wurde. Wir hatten vor 50 Jahren wichtige politische Entwicklungen, die mit einer entsprechenden Kultur einhergingen. Um so etwas erneut zu erreichen, brauchen wir auch wieder internationale Kooperation. Denn gegen die Friedensbewegung wird mit Polizeieinsätzen vorgegangen, etwa bei Protesten gegen den Krieg in Gaza.
Kann man angesichts der allgegenwärtigen Propagandashow der Bundeswehr noch von schleichendem Militarismus reden?
Tatsächlich nicht. Allein das »Grünbuch zur Zivil-Militärischen Zusammenarbeit« zeigt: In Deutschland soll die ganze Gesellschaft einbezogen und die Infrastruktur mit Milliarden Euro für militärische Zwecke aufbereitet werden. Willy Brandt (SPD-Bundeskanzler von 1969 bis 1974, jW) sprach zu Recht vom Krieg als »Ultima Irratio«.
In welchem Ausmaß geht die Friedensbewegung gegen den »Veteranentag« auf die Straße?
Der »Provisorische Anarchistische Antikriegsrat Berlin« ruft für Sonntag zur Protestkundgebung in der Bundeshauptstadt auf. »Wir feiern eure Kriege nicht!« heißt es in Mannheim mit der Partei Die Linke, der DFG-VK und anderen mehr. Das Bremer Friedensforum versammelt sich mit dem Slogan »Keinen Veteranentag in Bremen – Gegen die Militarisierung der Gesellschaft«. In Karlsruhe wird unter dem Motto »Für die Verteidigung einer solidarischen und sozialen Gesellschaft – Nein zum Veteranentag in Karlsruhe!« protestiert. Die Jugend der DFG-VK lädt zum sogenannten Adbusting (Austausch offizieller Plakate zum Beispiel der Bundeswehr gegen kritische Eigenkreationen, jW) für den »Naziprepper-Tag« ein, da durch die Bundeswehr »ein brauner Geist weht«.
Siehe auch
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Joshua Regitz/jW13.01.2025
»Eine Bedrohung für uns alle«
- Stefan Boness/IPON15.10.2024
Raus aus der Krise
- Pia Bayer/dpa18.07.2024
Bayern rüstet auf
Mehr aus: Schwerpunkt
-
Rummel in Flecktarn
vom 14.06.2025