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Aus: Ausgabe vom 13.06.2025, Seite 15 / Feminismus
Bevölkerungsentwicklung

Vietnam beendet Zweikindpolitik

Regierung über sinkende Zahl an Geburten, teils unter der Reproduktionsrate, besorgt
Von Gerhard Feldbauer
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Kinder braucht das Land: Straßenszene aus der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi (12.4.2025)

Vietnam beendet die 1988 eingeführte Zweikindpolitik. Jede Familie kann nun selbst entscheiden, wie viele Kinder sie haben möchte. Das legt, wie Vietnam News Agency (VNA) berichtete, die Anfang Juni verabschiedete überarbeitete Bevölkerungsverordnung fest, die einen grundlegenden Wandel im demographischen Ansatz markiert. Der bekannte Slogan »Jede Familie sollte nur ein oder zwei Kinder haben« galt mehr als zwei Jahrzehnte als Leitprinzip der Bevölkerungspolitik und wurde nun offiziell »gekillt«.

Die Zwei-Kind-Politik wurde eingeführt, als das Land nach dem Ende des Kriegs gegen die USA 1975 einen Bevölkerungsboom erlebte. Auch wenn die Zahl der Einwohner von damals rund 46 Millionen auf aktuell mehr als 100 Millionen angewachsen ist, sinkt die Zahl der Geburten zur Zeit deutlich. Nachdem die Fertilitätsrate schon seit 2013 rückläufig ist, hat sie im vergangenen Jahr mit 1,91 Kindern pro Frau einen historisch niedrigen Wert erreicht. In vielen Regionen, insbesondere in städtischen Gebieten, lag sie unter der Reproduktionsrate, die für die Aufrechterhaltung eines stabilen Bevölkerungsniveaus notwendig ist. So in Ho-Chi-Minh-Stadt und 20 weiteren Provinzen und Städten. Angesichts eines anhaltenden Wirtschaftswachstums, hoher Urbanisierung und zunehmender internationaler Integration werde ein anhaltend niedriges Geburtenniveau zahlreiche Folgen haben, wie etwa eine rasche Überalterung der Bevölkerung, Arbeitskräftemangel und Auswirkungen auf die soziale Sicherheit, so die Begründung für die Aufhebung.

Der Leiter der Bevölkerungsabteilung des Gesundheitsministeriums, Mai Xuan Phuong, weist darauf hin, dass die sinkende Geburtenrate jedoch auch darauf zurückzuführen ist, dass die jüngere Generation persönlicher Entwicklung, Bildung, Karriere und Freiheit Vorrang vor Heirat und Fortpflanzung einräume. Soziale Unterstützung für die Familienversorgung sei daher notwendig, wie die Senkung der Kindererziehungskosten, Kindergartenplätze, Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs, Unterstützung der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt nach der Geburt, niedrige Zinsen beim Hauskauf oder bezahlbare Mietwohnungen.

Daneben gibt es in Vietnam aufgrund der langjährigen Bevorzugung männlicher Nachkommen mehr Männer als Frauen. Auch wenn sich das Geschlechterverhältnis angeglichen hat, kommen auf 100 Geburten von Mädchen noch immer 112 von Jungen. Im Rahmen der neuen Bevölkerungspolitik sieht ein Entwurf des Gesundheitsministeriums nun vor, die Höchststrafe für fetale Geschlechtsselektion auf 100 Millionen vietnamesische Dong (3.315 Euro) zu erhöhen, was mehr als das Dreifache der derzeitigen Strafe wäre. Unter die Vergehen fallen die Offenlegung des Geschlechts, die Durchführung oder Unterstützung geschlechtsselektiver Schwangerschaftsabbrüche, die Verschreibung von Methoden zur Bestimmung des Geschlechts eines Babys und die Nötigung oder Überredung einer Person, eine Schwangerschaft aufgrund des Geschlechts des Fötus abzubrechen.

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