Anschluss über diese Nummer
Von Reinhard Lauterbach
Ab dem kommenden Jahr sollen Roaminggebühren für in der Ukraine registrierte Mobiltelefone innerhalb der EU wegfallen. Der EU-Rat wird wahrscheinlich im kommenden Monat offiziell beschließen, die anstehende fünfte Verlängerung einer zunächst provisorischen Regelung für ukrainische Geflohene in eine permanente Lösung zu überführen. Zum Januar sollen dann ukrainische Mobiltelefone offiziell der EU-weiten »Roam like at home (RLAH)«-Zone zugeschaltet werden. In geringerem Umfang und etwas später soll dasselbe auch für Geräte moldauischer Betreiber gelten.
Was sich zunächst liest wie eine freundliche Regelung für Menschen, die zur Arbeit in die EU migriert sind bzw. vor dem Krieg dorthin geflohen sind, hat allerdings seine politischen und rechtlichen Haken. Die Einbeziehung der ukrainischen Netzbetreiber in die RLAH-Zone war und ist ein subtiles Druckmittel der EU, die Ukraine zur rascheren Anpassung ihres Telekommunikationsrechts an den Rechtsstand in der EU (acquis communautaire) zu nötigen. Aus diesem Grund will die EU, bevor sie den Beschluss über das roamingfreie Telefonieren offiziell fasst, zunächst einen Fortschrittsbericht über die Anpassung des ukrainischen Rechts sehen. Das ist nicht nur eine Formalie.
Im Fall der Westbalkanstaaten steht die EU gegenüber deren Bestreben, ebenfalls an die RLAH-Zone angeschlossen zu werden, wegen politischer Vorbehalte wegen mangelnder »Reformen« auf der Bremse. Umgekehrt ist für die Ukraine der Anschluss an die Zone ohne Roaminggebühren ein wenigstens symbolischer Fortschritt auf dem Weg in die EU, der ansonsten nach wie vor überwiegend aus Hoffnungen und Versprechungen besteht. Gerade hat Ungarn wieder ein Veto gegen einen ukrainischen Beitritt angekündigt, weil es mit Kiew im Streit über die Sprachenpolitik im von einer ungarischen Minderheit bewohnten Transkarpatengebiet liegt und außerdem der Regierung in Budapest nicht gefällt, dass auch ethnische Ungarn zur ukrainischen Armee eingezogen werden. Und der neugewählte polnische Staatspräsident Karol Nawrocki hat schon angekündigt, dass er gegen den freien Marktzugang für ukrainische Agrarprodukte, wie er mit einem Beitritt Kiews verbunden wäre, sein Veto einlegen werde.
Die Einbeziehung der Ukraine und Moldaus in den RLAH-Raum hat aber auch ihre geopolitischen Implikationen. Denn für welche Gebiete soll die Neuregelung gelten? Für Moldau ist die Frage relativ unkompliziert: Die Mobilfunkmasten dort sind stark genug, um technisch auch das angrenzende Transnistrien mit abzudecken: Die »Pridnestrowische Moldauische Republik« erstreckt sich in west-östlicher Richtung im Schnitt nur über 20 Kilometer. Viele Bewohner Transnistriens nutzen ohnehin schon (auch) moldauische Telefone. Doch für die Ukraine bedeutet der Anschluss an die RLAH-Zone, dass sie faktisch auf das derzeit von Kiew kontrollierte und von ukrainischen Betreibern bespielte Gebiet reduziert wird. Es ist eine nicht rechtliche, aber tatsächliche Anerkennung der seit 2014 eingetretenen Gebietsverluste. Denn beispielsweise auf der Krim sind ukrainische Handynetze nicht mehr zu empfangen, und im Donbass sind viele Masten durch den Krieg zerstört. Im übrigen haben die russischen Behörden sehr früh dafür gesorgt, dass die unter russischer Kontrolle stehenden Regionen über russische Betreiber zu erreichen sind. Das geht auch gar nicht anders: Gerade die verbreiteten Prepaid-Handys müssen ja immer wieder aufgeladen werden, und das zwangsläufig bei den Firmen, die lokal vertreten sind.
Man kann natürlich sagen, dass diese Einschränkung faktisch ohne große Bedeutung ist, weil Bewohner des Donbass schon aus dem Grund keine Möglichkeit zur Einreise in den EU-Telekommunikationsraum haben, weil ihre dort ausgestellten russischen Pässe nicht international anerkannt sind. Im übrigen steht zu erwarten, dass für die Vorteile, die die auf EU-Gebiet lebenden und telefonierenden ukrainischen Bürger durch die Ausdehnung der RLAH-Zone haben, von denen mitzufinanzieren sein werden, die in der Ukraine geblieben sind oder bleiben mussten. Denn es wird erwartet, dass sich die Telekommunikationsunternehmen für die mit dem Wegfall der Roaminggebühren entfallenden Sondereinnahmen an anderer Stelle bei ihren Kunden schadlos halten werden. Im Klartext: Die Tarife für das »grenzenlose Telefonieren« dürften auf breiter Front steigen.
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