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Aus: Ausgabe vom 11.06.2025, Seite 7 / Ausland
Migrationspolitik

Amtsanmaßung von ultrarechts

Niederlande: An der Grenze wollen Rassisten eigenmächtig Abschiebungen Geflüchteter aus der BRD verhindern
Von Gerrit Hoekman
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In Erwartung niederländischer Ultrarechter: Bundespolizei am Übergang Ter Apel (8.6.2025)

Am Sonnabend abend hat ein Dutzend Männer aus den Niederlanden auf der deutschen Seite des Grenzübergangs Ter Apel/Rütenbrock bei Haren an der Ems eigenmächtig aus Deutschland kommende Fahrzeuge kontrolliert. Laut dem Sender BNNVARA soll es sich um Ultrarechte handeln. Sie wollten verhindern, dass die Bundesrepublik Asylsuchende in die Niederlande abschiebt, und trugen Warnwesten und Leuchtstäbe, wie sie auf den ersten Blick auch von der Marechaussee, der niederländischen Grenzbehörde, benutzt werden. Die später eintreffende deutsche Polizei forderte die Gruppe auf, das Staatsgebiet der BRD zu verlassen. Am Sonntag abend erschien die Gruppe erneut und wurde von zahlreichen Polizisten aus beiden Ländern erwartet. Rechtsausleger Geert Wilders feierte die »phantastische Initiative« auf X: »So etwas sollte überall an der Grenze passieren. Nächstes Mal möchte ich gerne mitmachen!«

Gegenüber dem Sender RTV Noord rechtfertigte ein Teilnehmer die illegale Grenzkontrolle damit, dass die nordrhein-westfälische Polizei im Mai einen mutmaßlichen Asylsuchenden nachts um vier Uhr 100 Meter hinter der niederländischen Grenze vor einem Blumenladen bei Venlo ausgesetzt habe. Das Nachrichtenmagazin »Hart van Nederland« veröffentlichte am Freitag die Aufnahme der Überwachungskamera der Floristin, die den Vorfall zeigt. Als die Polizei davonfährt, bleibt der Mann mit seinem kleinen Koffer allein zurück. Die Beamten tun an sich nichts Unrechtes, nur die Uhrzeit irritiert. Auch die niederländische Polizei bringt nämlich aus der BRD einreisende Geflüchtete zurück.

»Wer ist bereit, nachts die Grenzen zu bewachen, jetzt, wo bekannt ist, dass die deutsche Polizei Asylsuchende nachts mit Transportern und Hubschraubern über die Grenze schleust?« rief ein gewisser Jan Huzen am Sonnabend auf Facebook dazu auf, das Recht in die eigene Hand zu nehmen. »Wir, die niederländische Bevölkerung, zahlen den Preis dafür, dass Deutschland sein Land aufräumt.« Auf Bitten der jW um eine Stellungnahme antwortete der Sprecher der Marechaussee am Dienstag: »Ich rate Ihnen, Ihre Frage an die Bundespolizei zu richten. Wir äußern uns lediglich zu unseren eigenen Bemühungen.« Die niedersächsische Bundespolizei in Hannover antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf eine Anfrage der jW, ob Asylsuchende mit Hubschraubern in den Niederlanden abgesetzt werden.

Scharfmacher Huzen ist kein Unbekannter. »Er wurde bereits mehrfach wegen Volksverhetzung und Verleumdung verurteilt«, berichtete die Zeitung Trouw am Sonntag. Huzen ist Vorsitzender der »Unterstützungsgruppe Bauern und Bürger 3.0«. Bei den Parlamentswahlen 2023 kandidierte der 54jährige außerdem für die extrem rechte Splitterpartei »Gemeinsam für die Niederlande«, die aber den Einzug ins Abgeordnetenhaus nicht schaffte. Huzen agitierte unter anderem für den Erhalt des Zwarte Piet (Schwarzer Peter), des durch Blackfacing in Verdacht geratenen Helfers des niederländischen Nikolaus.

Nachdem die deutsche Polizei die »Gelegenheitsgrenzschützer« am Sonnabend wieder zurückgeschickt hatte, tauchten auch die niederländischen Kollegen auf. Sie konnten keine strafbaren Handlungen feststellen, weil sich die Gruppe inzwischen auf einen Parkplatz zurückgezogen hatte. Als sich am Sonntag abend erneut eine Gruppe von etwa 40 Personen am Grenzübergang versammelte, überprüfte die niederländische Polizei deren Identität. Auch die deutsche Polizei war zahlreich vertreten.

»Ich begreife die Frustration, aber ich rufe diese Gruppe wirklich auf, damit aufzuhören«, teilte der rechtsliberale kommissarische Minister für Justiz und Sicherheit, David van Weel, der Nachrichtenagentur ANP zufolge mit. »Lasst die Polizei und die Marechaussee ihre Arbeit machen, haltet euch an das Gesetz!« Die Gemeinde Westerwolde, zu der Ter Apel gehört, wies darauf hin, dass eigenmächtige Grenzkontrollen nicht nur verboten, sondern auch lebensgefährlich seien. In der Stadt befindet sich das zentrale Aufnahmelager für Geflüchtete in den Niederlanden. Es ist oft überfüllt, Neuankömmlinge müssen dann in Zelten oder im Freien übernachten.

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