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Aus: Ausgabe vom 07.06.2025, Seite 1 (Beilage) / Wochenendbeilage
Kommunismus in Südostasien

»Mein Buch ist bis heute verboten«

In Malaysia bleibt der kommunistische Aufstand ein Tabuthema. Frauen spielten als Guerillakämpferinnen eine wichtige Rolle. Ein Gespräch mit Agnes Khoo
Interview: Hendrik Pachinger
Louis Mountbatten inspiziert malaiische Truppen in London, die an der Siegesparade am 8. Juni 1946 teilnehmen sollen

Ihr Buch »Life as the River Flows – Oral History of Women Guerillas’ Struggle for the Independence of Malaysia/Singapore (1930–1989)«, behandelt den Widerstand der malaiischen Bevölkerung gegen den britischen Kolonialismus seit dem 18. Jahrhundert wie auch gegen die japanische Besatzung während des Zweiten Weltkriegs. Ist das der Schwerpunkt Ihrer Forschungstätigkeit?

Ich beschäftige mich vor allem mit der Zeit des britischen Kolonialismus. Die begann bereits 1786 und endete erst 1965. Zusätzlich sind für mich die japanische Besatzung und der japanische Faschismus von 1941 bis 1945 wie auch die darauf folgende Rückkehr der Briten interessante Schwerpunkte. Dazu muss man wissen, dass Malaysia 1957 die Unabhängigkeit erlangte, nachdem das probritische Regime unter der Führung der United Malays National Organisation, UMNO, die Malaysia bis heute regiert, an die Macht gekommen war.

Wann begann der Kampf um die Unabhängigkeit gegen die Briten?

Ein wichtiger Wendepunkt in Malaysias antikolonialer Geschichte war die Verhängung des Ausnahmezustands im Juni 1948. Die Briten erklärten nach ihrer Rückkehr den kommunistischen Aufständischen den totalen Krieg. Die Kommunistische Partei Malaysias, CPM, wurde über Nacht für illegal erklärt, obwohl sie und ihre Guerilla bis zum Kriegsende an der Seite der britischen Alliierten gegen die Japaner kämpften. Um die Genfer Konvention zu umgehen, sprach die britische Kolonialregierung nicht von einem Krieg gegen das malaiische Volk, sondern von einem »Ausnahmezustand«. Dadurch konnten gefangene Kommunisten und kommunistische Sympathisanten wie gewöhnliche Kriminelle statt wie Kriegsgefangene behandelt werden. Hierbei kam es am 12. Dezember 1948 zu einem Massaker an chinesischen Dorfbewohnern in Batang Kali. Diese Kautschukzapfer und Zinnbergleute wurden als vermeintliche Aufständische ermordet. Die britische Regierung entschuldigte sich erst im April 2025 für ihre Rolle dabei.

Können Sie die Haltung der malaiischen Kommunisten darlegen?

Die CPM wurde 1928 gegründet und hielt ihren ersten offiziellen Kongress im April 1930 ab. An diesem nahm auch Ho Chi Minh als Südostasienvertreter der Zweiten Internationale teil. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete sie kurzzeitig mit den Briten gegen die Japaner zusammen. Als die Briten jedoch nach Malaysia zurückkehrten und die Partei sowie ihre politischen Aktivitäten verboten, griff die CPM erneut zu den Waffen. Durch die Verhängung des Ausnahmezustands blieb ihr nichts anderes übrig, als sich in den Dschungel zurückzuziehen und einen Guerillakrieg zu beginnen. 1955 wurde dann ein Friedensabkommen mit der malaysischen und singapurischen Regierung angestrebt, die sogenannten Baling-Friedensgespräche. Der damalige malaysische Premierminister und der Gouverneur von Singapur waren an einem Erfolg der Gespräche nicht interessiert. Daher kehrte die CPM erneut in den Dschungel zurück und zog sich allmählich an die südliche Grenze zwischen Thailand und Malaysia zurück. Dort kämpfte sie weiter, bis im Dezember 1989 in Hat Yai, Südthailand, das zweite Friedensabkommen unterzeichnet wurde.

Die Guerilla legte nach dem Friedensabkommen ihre Waffen nieder und erklärte das Ende der Partei. Im Rahmen des Friedensabkommens erhielt sie von der thailändischen Regierung Land zum Bau ihrer Häuser und kleiner Plantagen mit Kautschuk- und Durianbäumen. Die Guerillakämpfer aus Malaysia erhielten die Möglichkeit, in ihre Heimat zurückzukehren. Andere entschieden sich jedoch für den Verbleib in Thailand und erhielten zwischen 2004 und 2006 die thailändische Staatsbürgerschaft. Die Singapurer unter ihnen konnten jedoch nicht nach Singapur zurückkehren und starben im Exil, da Singapur nicht Teil des Friedensabkommens war.

Die Rückkehr nach Malaysia verlief nicht so reibungslos wie erwartet, da gegen sie vor einer Wiedereinreiseerlaubnis vom Geheimdienst ermittelt wurde. Singapurer, die einen Heimatbesuch beantragten, wurden »verhört« und gezwungen, »Geständnisse« zu unterschreiben, um ihr Bedauern über ihre Taten auszudrücken.

Für mein Buch interviewte ich 16 ehemalige Guerillakämpferinnen, während ich zwischen 1998 und 2001 mit ihnen in den Friedensdörfern lebte. Dieses Buch ist bis heute in Malaysia verboten.

Was haben diese ehemaligen Guerilleras berichtet?

Die 16 Frauen waren mindestens 50, manche sogar über 80 Jahre alt, als ich sie interviewte. Sie lebten noch immer in den Friedensdörfern, die über ganz Südthailand verteilt sind. Sie sprachen über ihr Leben als Aktivistinnen an der Front und im Untergrund. Über ihre Zeit als Revolutionärinnen und Guerillakämpferinnen von den 1940er Jahren bis 1989, als sie schließlich Berge und Dschungel verließen, um als Zivilisten zu leben. Sie lebten trotz der Auflösung der Partei als enge Gemeinschaft und pflegten ihre Geschichte, weshalb sich auch ein Massentourismus entwickelt hat. Sie bauten deshalb eigene Reiseagenturen auf, um den endlosen Strom von Besuchern und Touristen zu bewältigen. In jedem Dorf findet sich ein Denkmal mit rotem Stern zum Gedenken an die Märtyrer der CPM. Ebenso gibt es ein Museum mit Erinnerungsstücken, Unterbringungen, eigene Restaurants und die obligatorischen Karaokehallen, die gleichzeitig als Versammlungsräume dienen, um den Guerilleras zuzuhören, die bis in die Nacht ihre Geschichten über Raubkatzen, Elefanten und feindliches Feuer erzählen.

Sie erwähnten den Freiheitskampf Singapurs. Können Sie mehr dazu sagen?

Singapur wurde 1965 in eine vermeintliche Unabhängigkeit durch Malaysias ersten Premierminister Tunku Abdul Rahman entlassen. Dieser ging in den Jahren 1962/63 die sogenannte Operation Cold Store voraus. Unter dem Vorwand, den Kommunismus in Singapur auszurotten, verhaftete die Regierung Hunderte Oppositionsführer, Gewerkschafter, Studenten und Anhänger oppositioneller Parteien in einer inselweiten Massenaktion. Es war Weißer Terror und Singapurs eigener »McCarthyismus« während des Kalten Krieges. Von diesem Zeitpunkt an wurden die politische Opposition und alle Formen der Zivilgesellschaft dauerhaft unterdrückt und ausgelöscht. Danach drohte das zukünftige Land nicht mehr, ein kommunistischer Brandherd zu werden, und konnte in die Scheinselbständigkeit entlassen werden. Die Singapurer brauchten bis in die späten 1990er Jahre, um sich von dieser Episode des Massenterrors zu erholen und oppositionelle Stimmen wieder aufzubauen.

Das Thema ist für Sie auch aus persönlichen Gründen relevant.

Ja, meine Eltern kämpften bereits gegen die britische Kolonialpolitik, die chinesischen Sprachunterricht diskriminierte. Ebenso ging es gegen die Wehrpflicht und gegen die Teilung in Malaysia und Singapur. Diese war von den Briten nach dem Prinzip »Teile und herrsche« geschaffen worden, um die Kontrolle über die Halbinsel zu behalten. Mein Vater war Gewerkschafter und wurde auf Grundlage des singapurischen Internal Security Act, ISA, inhaftiert. Dieser sah die unbefristete und unschuldige Inhaftierung mutmaßlicher kommunistischer Sympathisanten ohne Gerichtsverfahren vor. Ein Gesetz der britischen Kolonialregierung, das in Singapur bis heute gilt. Auch meine Mutter wurde damals verhört, zwei meiner Cousins wurden aufgrund ihrer gewerkschaftlichen Aktivitäten inhaftiert. Die Haftbedingungen waren und sind brutal, Folter nicht unüblich.

Welche Auswirkungen hatte der Zweite Weltkrieg auf der Halbinsel?

Entgegen der Prahlerei des britischen Imperialismus, »die Sonne des Imperiums werde niemals untergehen«, gaben sie Singapur innerhalb von 24 Stunden nach der japanischen Invasion auf. Die Invasoren kamen mit Fahrrädern aus dem Norden über Thailand. Während die Singapurer zunächst mit bloßen Händen und noch in Sandalen gegen die Japaner kämpften, leisteten die Briten kaum Widerstand. Die einzige Streitkraft, die damals noch gegen die Japaner kämpfte, war die Guerilla der CPM, die Malaysian Peoples’ Anti-Japanese Army, MPAJA, die ein Bündnis mit den Alliierten einging und die britischen Soldaten im dichten tropischen Dschungel beherbergte, bis die Japaner kapitulierten.

Tatsächlich gab es eine kurze Zeit, in der einige Teile Malaysias unter kommunistischer Kontrolle standen und rote Fahnen gehisst wurden. Diese Zeit ist als »Frühling Malaysias« bekannt. Es war der erste Vorgeschmack auf Befreiung und Selbstverwaltung des Volkes. Die Briten entrissen den Kommunisten jedoch rasch die Kontrolle und stellten die Kolonialherrschaft mit Gewalt und Repression wieder her. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kommunisten jedoch bereits erfolgreich linke Gewerkschaften, Massenorganisationen und Studentenvereinigungen etabliert. Die Bevölkerung durchschaute die wahren Absichten des britischen Kolonialismus – dass die Briten darauf aus waren, ihre Kontrolle über Malaysias natürliche Ressourcen wie Zinn, Eisenerz, Kautschuk und Ölpalmen zu behalten. Diese sollten Großbritanniens Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg finanzieren. Das führte zu zunehmenden Forderungen nach Selbstverwaltung und schließlich zur Unabhängigkeit Malaysias und Singapurs. Doch davor installierte man Regime, die den britischen Interessen treu ergeben waren.

Welche Rolle spielten Frauen im Partisanenkrieg gegen die japanischen Besatzer?

Es gab Frauen, die zu den Waffen griffen und als CPM-Guerillakämpferinnen kämpften. Es gab Frauen, die den antijapanischen Widerstand im Untergrund unterstützten, zum Beispiel als Kurierinnen, Botinnen, Organisatorinnen usw. Es gab Frauen, die die Japaner ausspionierten und Informationen an den Widerstand weitergaben.

Viele schlossen sich aus Angst vor Gefangennahme und Vergewaltigung durch die Japaner der Guerilla an. Oder sie wurden zu einer frühen Heirat gezwungen, um der Gefangennahme und Entführung durch die Japaner zu entgehen. Und alle äußerten den Wunsch, die Japaner aus Malaysia/Singapur zu vertreiben, da sie die japanischen Besatzer als faschistisch und imperialistisch betrachteten.

Als Mitglieder der Guerilla verübten sie Attentate und legten Hinterhalte. Sie erfüllten nicht nur militärische Aufgaben wie Wachdienst und das Verlegen von Landminen. Sie organisierten auch die Landwirtschaft zur Versorgung der Armee im Dschungel und die Behandlung von Verletzten und Kranken. Sie führten antijapanische Propaganda durch Aufklärungskampagnen in den Dörfern durch und rekrutierten Soldaten für den Einsatz in den Bergen.

Diese Frauen waren in offenen, legalen Organisationen aktiv, die den antijapanischen Widerstand im Untergrund unterstützten. Sie waren Anführerinnen politischer Parteien, die der CPM nahestanden, wie beispielsweise der Labour Party, oder auch in den Gewerkschaften, Studenten- und Massenbewegungen. Sie waren wie die Männer gleichermaßen Folter und Hinrichtungen ausgesetzt, wenn sie von den Japanern gefangengenommen wurden.

Wie ist es heute um demokratische Bewegungen in der Region bestellt?

Aufgrund des Kalten Krieges gab es lange Zeit nur staatlich sanktionierte Geschichtsschreibung – keine Volks- oder Sozialgeschichte. Die herrschenden Regierungen verbreiteten nur ihre Geschichtsversion. Diese stimmte mit der kolonialen Version der Geschichte überein, um die europäischen kolonialen und später auch die US-amerikanischen imperialistischen Interessen zu wahren. Alle Schulbücher, Zeitungen, Bücher, Publikationen und sogar Unterhaltungsmedien wurden streng zensiert und kontrolliert. Es sollte sichergestellt werden, dass oppositionelle Ansichten oder alternative Geschichtsdarstellungen keine Chance hatten. Das politische Klima begann sich dann mit dem Aufkommen des Neoliberalismus in den meisten Teilen Asiens seit den späten 1980er und 1990er Jahren und insbesondere mit der Demokratisierung der Philippinen 1986, Taiwans und Südkoreas 1987 zu liberalisieren. Diese Demokratisierung geschah infolge von Volksbewegungen, die für Demokratie kämpften und die Militärdiktatur stürzten. Damit einher ging das Aufblühen der Zivilgesellschaft in den Nachbarländern Malaysias und Singapurs, wie Südkorea, Taiwan, Thailand und sogar Indonesien.

Wie wird der Freiheitskampf heute wahrgenommen?

Malaysier und Singapurer sehen sich als Bürger souveräner Länder, die unter der Herrschaft autoritärer Regierungen stehen. Sie leben ohne Meinungs-, Versammlungs- und Gedankenfreiheit. Malaysia ist etwas offener und demokratischer als Singapur. In den zurückliegenden Jahren scheint sich das Land durch die zunehmende Islamisierung Malaysias jedoch von der Liberalisierung abzuwenden.

Angesichts der sich verschlechternden Wirtschaftslage infolge der Coronapandemie und des Handelskriegs zwischen den USA und China scheinen politische Räume in Malaysia im Namen der Religion zu schrumpfen. Interessanterweise scheint sich mit dem Tod von Singapurs erstem Premierminister Lee Kuan Yew (im Amt von 1959 bis 1990, gestorben 2015, jW) und der Übertragung des Amts von seinem Sohn auf einen neuen Führer, der nicht aus der Familie Lee stammt, der Würgegriff der »Lee-Dynastie« um die Wähler Singapurs gelockert zu haben. Offensichtlich so weit, dass kleine Oppositionsparteien bei den jüngsten Wahlen ins Parlament einziehen konnten.

Dennoch werden die CPM und ihre Guerilla von den Herrschenden in Malaysia und Singapur weiterhin dämonisiert. Kommunisten und kommunistische Aufstände bleiben in beiden Ländern äußerst sensible politische Themen, und die Menschen haben Angst, öffentlich darüber zu sprechen. Die Massenmedien vermeiden es, die Geschichte der CPM zu diskutieren. Trotz eines langsamen Anstiegs des öffentlichen Interesses an unserer »alternativen« und linken Geschichte ist die breite Öffentlichkeit über die Rolle der CPM und ihrer bewaffneten Kämpfe vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, die sich über fast ein Jahrhundert erstreckten, weitgehend im unklaren.

Dann gibt es wahrscheinlich auch kein großes Bewusstsein für die Rolle der Frauen in diesen Kämpfen?

Mein Buch war vermutlich das erste, das die Stimmen der Frauen der Öffentlichkeit zugänglich machte. Einige CPM-Führungskräfte haben mittlerweile ihre Memoiren und sogar halbfiktionale Romane auf englisch, chinesisch und/oder malaiisch veröffentlicht. Das konnte bisher keine der einfachen Guerillakämpferinnen. Verantwortlich sind dafür unter anderem Zeitmangel wie auch fehlende Möglichkeiten aufgrund mangelnden Selbstvertrauens oder mangelnder Schreibfähigkeit.

Agnes Khoo ist Professorin der Soziologie, Autorin sowie Übersetzerin mehrerer Bücher und lehrte an der Shenzhen Technology University in der VR China. Anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung Asiens von der japanischen Besatzung hielt sie mehrere Vorträge in deutschen Städten. Thema der Veranstaltungsreihe war der Kampf gegen Faschismus und Kolonialismus in Südostasien mit einem besonderen Fokus auf die Rolle der Frau

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