Der Zukunft zugewandt
Von Michael MerzDas Erbe des sozialistischen deutschen Staates kommt einfach nicht zur Ruhe. In der Nacht zum Montag dieser Woche kam es auf einem Firmenareal neben dem Depot des DDR-Museums in Berlin-Marzahn zu einem Großbrand, die Flammen wüteten in drei Lagerhallen, eine Rauchsäule stand über dem östlichen Stadtrand. Dann, am Mittwoch nachmittag, brach das nächste Feuer in unmittelbarer Nähe aus, wieder war die Feuerwehr im Großeinsatz, die Polizei ermittelt nun wegen des Verdachts der Brandstiftung. »Wir sind nur knapp einer Katastrophe entgangen«, so die Leitung des Museums erleichtert – nicht auszudenken, wäre die Windrichtung eine andere gewesen.
Mit Katastrophen kennt man sich mittlerweile aus im DDR-Museum. Dass das erst im März eröffnete Depot überhaupt so schnell gebaut werden konnte, ist Folge einer solchen. 2022 war in einem Hotel in Berlin-Mitte ein riesiges Aquarium spektakulär geplatzt, etwa eine Million Liter Wasser flossen in die Umgebung, unter anderem in die benachbarten Ausstellungsräume. Für mehrere Monate musste der Touristenmagnet schließen, aber die Gelegenheit war gegeben, die umfangreiche Sammlung aus Hallen in Berlin-Spandau nach Marzahn zu verlagern.
Ein neues multifunktionales Zentrum für Forschung, Restaurierung und Bewahrung von etwa 360.000 Objekten aus vier Jahrzehnten der DDR entstand – eine Investition von rund drei Millionen Euro. Jedermann kann es mit eigenen Stücken ergänzen und besichtigen, an Führungen durch die klimatisierten Hallen teilnehmen. Tickets gibt es auf der Website des Museums. Das Interesse in den ersten Monaten seit der Eröffnung ist groß, vielleicht gerade, weil das Depot nicht als Museum verstanden werden will – ohne Kommentar und Interpretation stehen hier Gebrauchsgegenstände neben Kunstobjekten, meterhohe Regale voller Kisten neben ausgewählten Ausstellungsstücken, die verschiedene Epochen der DDR aufzeigen. Und der Zukunft zugewandt: In Zeiten, in denen die Erinnerung an 40 Jahre Leben im Sozialismus dem Vergessen anheimfällt – so als hätte es die DDR nie gegeben und wenn, dann ausschließlich im Kontext von Mauer, Stasi und Diktatur –, da ist es um so verdienstvoller, dass das Alltägliche für die Nachgeborenen konserviert wird.
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