Endlich auf dem Treppchen
Von Valentin Kartaly
Und die Goldmedaille geht nach Andorra? Was sich nach einer unglaublichen sportlichen Sensation anhört, machen die europäischen Kleinstaatenspiele möglich. Insgesamt 13 Goldmedaillen konnte das Fürstentum bei den Heimspielen einheimsen. Im Pyrenäenstaat wurde das alle zwei Jahre stattfindende Event diesmal ausgetragen. Über 800 Teilnehmer aus ganz Europa reisten nach Andorra, um sich vom 26. bis 31. Mai sportlich zu messen. An den Start gehen können Athleten aller europäischen Staaten mit einer Einwohnerzahl von unter einer Million, die über ein Nationales Olympisches Komitee verfügen und Teil des IOC sind. Neun Länder erfüllen diese Vorgaben, wobei die Unterschiede zwischen dem einwohnerstärksten Staat Zypern mit über 920.000 Einwohnern und San Marino mit gerade einmal knapp 35.000 doch recht groß sind. Das ist auch am Medaillenspiegel ersichtlich. Zypern brachte mit 108 Medaillen das meiste Edelmetall nach Hause, während die Kleinsten der Kleinen, Liechtenstein und San Marino, am Ende des Tableaus landeten. Trotzdem ging keiner der Zwergstaaten leer aus, das Grundprinzip der Spiele funktioniert.
Im Mittelpunkt der Wettkämpfe steht die Chancengleichheit. Der Vorschlag für Kleinstaatenspiele wurde erstmalig 1981 von Liechtenstein gemacht und unter den möglichen teilnehmenden Nationen diskutiert. Die Erstaustragung fand 1985 in San Marino statt. Schon mangels vergleichbarer staatlicher Unterstützung von Leistungssportlern haben es Athleten kleiner Länder schwer, international zu konkurrieren. Da bieten die Games of the Small States of Europe (GSSE), wie die Veranstaltung offiziell heißt, eine optimale Plattform.
Doch die Idee der GSSE geht über das rein Sportliche hinaus. Abseits der Wettkämpfe trafen sich Politiker aus acht der neun teilnehmenden Länder, um deren Zusammenarbeit zu stärken. Nicht nur zu mehr sportlicher Ausgewogenheit sollen die Festspiele beitragen, sondern auch zur besseren Völkerverständigung. Der liechtensteinische Landesspiegel berichtete am 29. Mai, dass sich die Diplomaten auf eine engere Zusammenarbeit verständigt hätten, um gemeinsam den Herausforderungen der Welt begegnen zu können. Das mag hochtrabend klingen, doch politisch einflusslos sind die Kleinstaaten nicht.
Außerhalb der teilnehmenden Länder wird freilich kaum über die Spiele berichtet. Von der »Sportschau« gab es einen Infopost, sonst erfuhr man aus deutschen Medien wenig. Der Sieg von Francesco Sansovini aus San Marino beim 100-Meter-Sprint sorgt offenbar nicht für ausreichend Klickzahlen. Um so schöner war da, dass die Veranstaltung vor Ort sehr gut angenommen wurde. Auch in den Tagen nach den letzten Wettbewerben waren auf den Straßen Andorras noch viele Menschen mit dem offiziellen Merch der Spiele zu sehen.
In der Inszenierung wurde den Olympischen Spielen nachgeeifert: Das professionelle Branding »Andorra 2025« war allerorten sichtbar, natürlich gab es auch ein Maskottchen. Trotz der professionellen Aufmachung waren die Kleinstaatenspiele bei weitem nicht so kommerziell wie die großen Olympischen. Bezahlbare Tickets, kein Millionenwettbieten um die TV-Übertragungsrechte und kein omnipräsentes Product-Placement – das macht die Wettkämpfe sympathisch. Berühmte Sportgrößen finden sich hier nicht, dafür triumphieren Sportler, die es für gewöhnlich nicht leicht haben, auf der großen Bühne konkurrenzfähig zu sein. Doch wer weiß? Vielleicht wird eines Tages einer der jetzigen Sieger auch mal bei Olympia auf dem Treppchen stehen.
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