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Aus: Ausgabe vom 02.06.2025, Seite 15 / Politisches Buch
Militarisierung

Hinter dem »Drohnenwall«

Die IMI-Analysereihe blickt auf die forcierte Aufrüstung mit »intelligenten« Drohnen
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Propaganda und Geschäft: Angriffsdrohnen in einer »Resilienzfabrik« der Firma Helsing

In der Analysereihe der Informationsstelle Militarisierung hat sich Christoph Marischka mit dem »Kontrollverlust bei Drohnen und KI« und den hinter der Aufrüstung in diesem Bereich stehenden Interessen beschäftigt. Er verweist auf einen »neueren Typ der Rüstungsmanager, die betont ›disruptiv‹ als ›CEOs‹ von ›Rüstungs-Startups‹ auftreten«. Gundbert Scherf etwa reüssiert als Gründer des Rüstungs-KI-Anbieters Helsing. Die 2021 gegründete Firma hat nach eigenen Angaben bereits Tausende Drohnen an die Ukraine geliefert und eine Drohnenfabrik mit einer monatlichen Produktionskapazität von 1.000 Stück in Süddeutschland aufgebaut. Weitere sollen folgen.

Scherf trat im Frühjahr mit der Idee auf, an der »NATO-Ostflanke« einen »Drohnenwall« aus Kampfdrohnen zu errichten. Umgehend wurde aus dem Wort »ein etablierter Begriff in der Aufrüstungsdiskussion«. Der »Drohnenwall« könne innerhalb eines Jahres stehen, versichert etwa der Vertriebschef des Drohnenproduzenten Quantum Systems. Unter diesen Vorzeichen wurde Ende März die Anschaffung von bewaffneten Angriffsdrohnen für die Bundeswehr bekanntgegeben – ohne dass in der Öffentlichkeit die Frage aufgeworfen wurde, wie »eine solche Entscheidung ohne parlamentarische Beteiligung während laufender Koalitionsverhandlungen« durch das Verteidigungsministerium getroffen werden kann. Marischka: »Die Interessen der Industrie bestimmen die Strategie.«

Der Krieg in der Ukraine zeige indes, dass »am Schluss die Masse und die Rekrutierungspotentiale über Sieg und Niederlage bestimmen«. Dieser Umstand aber sei die »große Leerstelle« auch im EU-Weißbuch zur Aufrüstung, das die Frage, wer die neuen Waffensysteme bedienen »und bei deren Bedienung sterben soll«, schlicht ausblende. Die Ideologie, Kriege ließen sich stellvertretend von Robotern führen, sei auch in Deutschland angekommen. Suggeriert werde zum Beispiel, dass ein »Krieg mit China denkbar und führbar wäre, wenn man ihn mit Robotern statt Menschen führen könnte«. (jW)

IMI-Analyse, Nr. 13/2025, 4 Seiten, Bezug: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V., Hechinger Str. 203, 72072 Tübingen, kostenloser Download: imi-online.de

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (2. Juni 2025 um 11:13 Uhr)
    Ein Hirngespinst für Militärfanatiker! Die Idee eines »Drohnenwalls« ist ein Fantasieprodukt von Rüstungsstrategen, die sich in ihrer technokratischen Blase bewegen – weit entfernt von den Realitäten menschlicher Konflikte. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Die Entwicklung von Waffen folgt oft dem Prinzip von Schwert und Schild – Angriff und Verteidigung. Meist sind es die Angreifer, die technologisch vorlegen. Doch auch das 9. Jahrhundert in Mitteleuropa lehrt uns: Als Reaktion auf die Überfälle ungarischer Reitertruppen entstanden überall befestigte Burgen – ein Verteidigungsschub, der das Gleichgewicht verschob. Heute erleben wir Ähnliches mit Drohnen: Sie gelten als Wunderwaffen des Angriffs, doch ihre tatsächliche Wirkung bleibt begrenzt. Theoretisch – und manchmal praktisch – lassen sie sich sogar mit einer Schrotflinte vom Himmel holen. Ihre »Überlegenheit« wird nur so lange anhalten, bis geeignete Abwehrsysteme verbreitet sind. Die Vorstellung, Kriege könnten künftig von Robotern geführt werden, ist eine gefährliche Illusion – sie verdrängt die brutale Realität menschlichen Leids hinter einer Fassade technischer Machbarkeit. Gegen atomare Bedrohungen oder moderne Hyperschallraketen sind aber Roboterarmeen vollkommen wirkungslos. Was wir brauchen, ist nicht die nächste Aufrüstungsrunde, sondern ein grundlegendes Umdenken. Kriegerische Auseinandersetzungen müssen als Mittel der Politik endgültig verworfen werden. Unsere Erde bietet genug Ressourcen für alle – es kommt allein auf eine gerechte Verteilung an. Ohne Waffen. Ohne Krieg.

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