Aus Leserbriefen an die Redaktion

Laues Lüftchen des Tages: DGB
Zu jW vom 28./29.5.: »Am fünften Tag sollst du ruhen«
Wenn die DGB-Gewerkschaften Organisationen der Arbeitenden wären, würden sie Druck erzeugen und sich nicht dem des Kapitals beugen. Da das Kapital aber die Spitzen der Gewerkschaft zum Beispiel durch Aufsichtsratsmandate gefügig gemacht und in seine Strategien eingeordnet hat, weht von dort stets nur noch ein laues Lüftchen. Dass der DGB selbstbewusst strategische Fragen der Gesellschaftsentwicklung aufwerfen und durchboxen würde, bleibt unter diesen Bedingungen ein sehr, sehr frommer Wunsch.
Joachim Seider, Berlin
Lohn, Preis, Profit und Heißhunger
Zu jW vom 28./29.5.: »Am fünften Tag sollst du ruhen«
Das Kapital hat einen unstillbaren Heißhunger nach Mehrarbeit. Nach marxistischem Verständnis ist Mehrarbeit Ausdruck der kapitalistischen Ausbeutung, der Teil des Arbeitstages, den sich der Kapitalist unentgeltlich aneignet. Der Wert der Ware Arbeitskraft ist mit den Mitteln gegeben, die zur Reproduktion der Arbeitskraft für jeden Arbeitstag notwendig sind (notwendige Arbeitszeit). In dieser Tatsache, dass die Arbeitskraft mehr Wert (Mehrwert) schafft als zu ihrer Reproduktion als Preis bzw. Lohn der Arbeitskraft notwendig ist, findet sich das, was wir Ausbeutung nennen und nichts damit zu tun hat oder haben muss, in welchen relativen Wohlstand oder absoluten Elend die Arbeitskraft lebt. Aus dieser Tatsache, dem unbedingten Streben des Käufers der Arbeitskraft, aus ihr so viel wie möglich Mehrarbeit herauszupressen, erwächst objektiv das ständige Bestreben, die Arbeitszeit zu verlängern, die gegebene Arbeitszeit so zu nutzen, dass maximale Mehrarbeit herausgeschlagen werden kann. Der Weg dazu kann der über eine absolute Verlängerung der täglichen Arbeitszeit sein. Die brutalen Versuche dazu erleben wir gerade sehr anschaulich und mit unmenschlichsten Auftritten, Forderungen aus Politik und Wirtschaft. Der andere Weg, die Mehrarbeit zu erhöhen, besteht in der relativen Ausbeutung, die gegeben ist, wenn der jeweilige Arbeitstag intensiver genutzt wird, wenn weniger notwendige Arbeitszeit gebraucht wird, die den Preis bzw. Lohn der Arbeitskraft repräsentiert. Die jeweilige Arbeitszeit, der vereinbarte Arbeitstag und der Lohn, der je Stunde erscheint, verschleiern die kapitalistische Ausbeutung, das ist heute nicht anders als zu Beginn dieser Gesellschaftsordnung.
Roland Winkler, Aue
Kein Völkermord am Millerntor
Zu jW vom 24./25.5.: »Panzer, Hunger, Tod«
Beim Bundesligaspiel unseres FC St. Pauli gegen den VfB Stuttgart haben wir unser Banner »Genozid in Gaza stoppen« hochgehalten. Der Ordnungsdienst hat es beschlagnahmt und nach dem Spiel zurückgegeben. Die Begründung gab es dann einige Tage später auf der Webseite des Vereins: »So hat ein Banner in der Nordkurve mit der Aufschrift ›Genozid in Gaza stoppen‹ für Kritik und viele Diskussionen in der Fanszene gesorgt. Es ist gut und wichtig, dass es solche Diskussionen gibt. Grundsätzlich gilt, dass wir Meinungsfreiheit respektieren, uns aber einen verantwortungsvollen Austausch erhoffen, der nicht auf möglichst polarisierende Schlagworte setzt. Zudem ist der FC St. Pauli für die Sicherheit im Stadion verantwortlich und muss gegebenenfalls einschreiten, falls Banner zu Auseinandersetzungen im Stadion führen können.«
Der Ausdruck »Genozid« ist also nicht erwünscht. Schade, St. Pauli, warst früher mal ein etwas anderer Verein, so erfrischend fortschrittlich. Das nächste Mal werden wir schreiben »Töten in Gaza stoppen«, vielleicht ist das ja erlaubt.
Manfred Vahl, Hamburg
Einhalt gebieten
Zu jW vom 27.5.: »Merz erhöht die Reichweite«
Und der Wahnsinn geht weiter, nun gibt es also keine Begrenzungen der Reichweiten für gelieferte Waffen an die Ukraine aus der westlichen Welt. Hier sei die Frage an Merz zu stellen: »Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?« Und die Frage ist schnell zu beantworten: Ja, sie sind es! Hier wird bewusst in Kauf genommen, dass Deutschland und andere Staaten der EU und NATO in den Krieg mit reingezogen werden, ganz unter dem Motto: »Koste es doch, was es wolle.« Es ist der pure Wahnsinn, was bei diesen politischen Fachkräften im Kopf so vorgehen muss, und es ist beängstigend! Es wird Zeit, dass man diesen Politikern endlich die rote Karte zeigt, bevor es endgültig für uns bei diesem Krieg heißt: Mittendrin statt nur dabei! Stoppt diesen Wahnsinn.
René Osselmann, Magdeburg
Opportunismus überwinden
Zu jW vom 22.5.: »Gespaltene Einheit«
In ihrer Haltung zu der in Gotha entstandenen Partei gingen Marx und Engels nicht davon aus, an ihrer Stelle eine neue, von revisionistischen Einflüssen freie revolutionäre Arbeiterpartei zu schaffen, sondern sie kämpften darum, »die richtige politische Linie in der deutschen sozialdemokratischen Partei« durchzusetzen. Trotz der opportunistischen Auswüchse des Gothaer Programms stellten sie in den Vordergrund ihrer Wertung die Bedeutung der Herstellung einer einheitlichen Arbeiterpartei. Durch ihr energisches Auftreten gelang es in dieser Periode, die Opportunisten in der Partei zurückzudrängen und zu erreichen, dass das praktische Auftreten der Partei durch revolutionäre Aktionen bestimmt wurde. Sie kämpfte erfolgreich gegen das Sozialistengesetz und fand den richtigen Weg zu den Massen (Kritik des Gothaer Programms, MEW, Bd.19, Berlin/DDR 1962, S. 15 bis 32). Das sollte die Frage aufwerfen, ob man sich heute, bevor man sich trennt, schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, opportunistische Erscheinungen zu überwinden.
Doris Prato, per E-Mail
Schade, St. Pauli, warst früher mal ein etwas anderer Verein, so erfrischend fortschrittlich.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.