Lehrer gegen Kriegshaushalt
Von Steve Hollasky
Benjamin Netanjahus Krieg verheert den Gazastreifen, forderte bislang etwa 60.000 Tote und treibt Millionen Menschen in die Flucht. Um ihre Kriegsmaschinerie zu finanzieren, verabschiedete die Regierung Netanjahu einen Kürzungshaushalt für Israel: Steuern werden erhöht, Löhne zusammengestrichen. Beschäftigte in Kliniken, Schulen, Kitas und Verwaltung bekommen diesen Kahlschlag längst zu spüren. Ausgenommen davon sind die Regierung und Abgeordnete der Knesset.
Unter anderem sollten die Einkommen von Lehrkräften um 3,3 Prozent verringert werden. Die Lehrergewerkschaft einigte sich schließlich mit dem Finanzministerium auf Kürzungen um 1,9 Prozent. Durch die Reduzierung zusätzlicher Leistungen bleiben die Gehaltseinbußen aber im wesentlichen auf dem von der Regierung verlangten Niveau. Dagegen wehrten sich Lehrkräfte an 300 Schulen mit kollektiven Krankmeldungen von bis zu einer Woche, wie die Jüdische Allgemeine in ihrer Onlineausgabe vom 5. Mai berichtete.
Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erhalten israelische Lehrer im Jahr etwa 25.000 US-Dollar und damit so wenig wie in keinem anderen der 37 Mitgliedsländer, abgesehen von der Türkei. Als ihrem Kollegium die Kürzungen mitgeteilt wurden, sei man »voller Abscheu« zurück in die Klassenzimmer gegangen, berichtete Tomm Sella gegenüber jW. Die Lehrerin und ihr Kollegium beschlossen, sich der bereits laufenden Bewegung gegen die Entgeltabsenkung anzuschließen. Ohne Zustimmung der Lehrergewerkschaft sei ein Streik aber nicht möglich, so Sella. Deren Übereinkunft mit der Regierung verhinderte jedoch nicht nur Abwehrmaßnahmen, sondern zeigte auch, dass sie sich »nicht wirklich für die Meinung der Lehrerinnen und Lehrer« interessiere.
Aus Angst vor Konsequenzen will Sella den Namen ihrer Schule nicht in der Presse lesen. Die Sorge scheint berechtigt. Der Krankenpfleger Benny K., Mitglied der Organisation Sozialistischer Kampf, unterstützte die Lehrerinnen und Lehrer in ihrem gut einwöchigen Ausstand. Auch die Löhne von Beschäftigten im Gesundheitswesen fielen im Rahmen des Kürzungshaushalts geringer aus. Gegenüber jW berichtet K. von einem Lehrer, der vor der Klasse den Krieg gegen Gaza kritisiert hatte und dafür suspendiert wurde. Einer der Höhepunkte der Bewegung war die Kundgebung am 14. Mai, organisiert von der Lehrergewerkschaft Irgun Hamorim, an der sich etwa 400 Kolleginnen und Kollegen beteiligten. Kritisiert wurden dort die miesen Arbeitsbedingungen und die geringe Wertschätzung, der die Pädagogen ausgesetzt seien. Zwar sei in der Bewegung die Forderung nach einem Ende des Kriegs offiziell nicht aufgekommen, so Benny K., doch in der Bevölkerung unterstütze nur noch eine Minderheit Netanjahus Feldzug. Streikende hätten ihm oft gesagt, sie wollten »nicht für den Krieg zahlen«.
An ihrer Schule sei die Situation eine gänzlich andere, erklärt Sella. Weil es dort auch viele palästinensische Kollegen gebe, sei das Thema Gaza weitaus präsenter. Palästinensische Beschäftigte stünden in Israel »besonders unter Druck«, weshalb sich nur wenige an den Krankmeldungen beteiligt hätten. Vor gut zwei Wochen nahmen die Lehrkräfte die Normalarbeit vorerst wieder auf – nicht zuletzt wegen der Androhung von Disziplinarmaßnahmen. Die Kürzungen haben sie nicht abwenden können. Doch »neue Aktivisten versuchen den Kampf fortzusetzen«, sagt Sella. Gründe gibt es genug: Die Situation im israelischen Bildungswesen sei eine Katastrophe, erklärt die Lehrerin. Es fehle an Personal. Klassen mit 40 Schülerinnen und Schülern seien normal. Um dagegen erfolgreich zu kämpfen, erklärt Benny K., brauche es »kämpferische und demokratische Gewerkschaften«. Die müssten »gemeinsame Kämpfe israelischer und palästinensischer Beschäftigter« organisieren und »ganz klar ein Ende des Kriegs fordern«.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Hendrik Schmidt/dpa30.01.2025
Knebel für Unis
- IMAGO/Middle East Images29.10.2024
Notfalls wird geräumt
- Stefan Frank/IMAGO/Middle East Images05.06.2024
»Das ist ja kein Fußballspiel«
Mehr aus: Kapital & Arbeit
-
Profiteure der Konfrontation
vom 28.05.2025