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Aus: Ausgabe vom 28.05.2025, Seite 5 / Inland
EVG gegen Werksschließungen

Bahn ohne Plan und Personal

DB will bei Fahrzeuginstandhaltung kürzen und Werke schließen. Protest der EVG
Von Ralf Wurzbacher
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Beim Kerngeschäft, der Eisenbahn, wird derzeit eifrig abgebaut – bei Personal und Infrastruktur

Macht die Deutsche Bahn (DB) auf Zukunft, ist Vorsicht geboten. Seit Mittwoch können sich Bewohner der Stadt Langen und der Gemeinde Egelsbach im Kreis Offenbach von »autonomen« Shuttles »führerlos« durch die Gegend kutschieren lassen. Das gemeinsame Pilotprojekt namens KIRA (KI-basierter Regelbetrieb autonomer On-Demand-Verkehre) von DB und Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) soll zunächst bis Jahresende laufen, könnte aber im Erfolgsfall und mit womöglich weiteren Fördergeldern des Bundes verlängert werden. Aber was wäre ein Erfolg? Wenn keiner der Testteilnehmer zu Schaden kommt und die sicherheitshalber präsenten »Sicherheitsfahrer« vor lauter Langeweile einnicken? Oder freut es die Bosse, sollten alsbald noch mehr genervte Bahnfahrer aufs Auto umgestiegen sein?

Dazu passt: Beim Kerngeschäft, der Eisenbahn, wird derzeit eifrig abgebaut – beim Personal wie auch der Infrastruktur. Weil aktuell die Wirtschaft lahmt und deshalb weniger Menschen und Güter über die Schiene rollen, treibt der Staatskonzern die Schließung von Standorten der DB-Fahrzeuginstandhaltung (FZI) voran. In den fraglichen zwölf Werken werden Züge und Waggons komplett neu aufbereitet. »Es geht um die sogenannte schwere Instandhaltung«, erläuterte ein Sprecher der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) am Dienstag gegenüber junge Welt. Wie er sagte, seien die rückläufigen »Fertigungsstunden« vor allem auf die schlechte Lage bei der Gütersparte Cargo zurückzuführen. Die DB-Tochter schreibt seit Jahren tiefrote Zahlen und droht bei ausbleibender Besserung auf Druck der EU-Kommission auf der Verkaufsliste zu landen.

Wie weit die Pläne der Chefetage gehen, wissen Gewerkschaft und Betriebsräte nicht. Auch im Rahmen des »Sanierungsprogramms S3«, das die Streichung von 30.000 Stellen – vornehmlich in der Verwaltung – innerhalb von fünf Jahren vorsieht, könnten Standorte dichtgemacht und Wartungsaufträge ins Ausland verlagert werden. Klar sei nur so viel, dass »die Bahn-Führung weiterhin keinen Plan vorlegt und bisher nur über Kürzungen nachdenkt«, so der EVG-Sprecher. »Zum Teil sind diese Werke über hundert Jahre alt, da hat der Opa schon gearbeitet, dann der Vater, jetzt der Sohn. Das einfach plattzumachen wäre auch ein Schlag gegen die Identität der Regionen.« Beschlossen ist bisher lediglich die Abwicklung der Außenstelle im sächsischen Delitzsch. »Dort kam morgens der Werksleiter an und hat gesagt, am Jahresende ist Schluss.« Beim FZI in Paderborn hieß es im Frühjahr, ab sofort würden keine Lehrlinge mehr ausgebildet. Die Kollegen vor Ort sind alarmiert und rechnen mit dem Schlimmsten. Schon im März hatten sie zu Hunderten vor den Werkstoren für den Erhalt der Produktionsstätte demonstriert. Auch andernorts gab es bereits Proteste.

Unter dem Motto »Unsere Werke sind jeden Kampf wert!« schlug am Dienstag die EVG mit mehr als 400 Bahn-Beschäftigten vor dem Bahn-Tower am Potsdamer Platz in Berlin auf. »Wir fordern, dass man uns endlich einen Zukunftsplan vorlegt, wo die Bahn hin will mit ihrer Werkslandschaft«, äußerte der Gewerkschaftssprecher. »Wir wollen nicht länger hingehalten werden, wir tappen alle im Dunkeln und die Kolleginnen und Kollegen sind verständlicherweise extrem nervös.« Dabei stellte er auch die Frage, was passiert, sobald die Krise einmal überstanden ist, die Wirtschaft wieder zu Kräften gekommen und die Bahn, wie von der Bundesregierung angekündigt, neu aufgestellt sein wird. »Wenn man heute massenhaft hochqualifizierte Leute einfach vom Hof jagt – wer fährt dann morgen die Züge und hält sie instand?« Nun ja, erledigt sich bis dahin vielleicht ja alles von selbst: mit künstlicher Intelligenz, und kräftig Daumendrücken.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (27. Mai 2025 um 19:58 Uhr)
    Ich stelle mir bildlich vor, wie die Herren Dobrindt (rechts) und Pistorius (links) vor einem mit Panzern beladenen Güterzug der DB über die Schwellen hüpfen (solche Arbeiten wurden früher von Schwellenhüpfern verrichtet) und den Zustand der Geleise überprüfen und korrigieren. Das Szenario ist ausbaufähig.

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