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Aus: Ausgabe vom 28.05.2025, Seite 2 / Inland
Debatte um Gaza-Offensive

Eiertanz um Israel-Doktrin

Bundesregierung äußert Unbehagen wegen großer Gazaoffensive
Von Marc Bebenroth
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Längst zerstört: Blick aus Israel auf ein von den israelischen Streitkräften zerbombtes Wohngebiet im Norden Gazas (27.5.2025)

Wer dem israelischen Staat Völkermord an den Palästinensern vorwirft, wird von dessen Apologeten schnell als Antisemit bzw. Hamas-Unterstützer abgestraft. Davor müssen sich Vertreter der herrschenden Klasse nicht fürchten. So sei »in der Dauer, in der Härte, in der Konsequenz« eine »Verhältnismäßigkeit« in Gaza überschritten, erklärte Außenminister Johann Wadephul (CDU) am Dienstag beim »WDR Europaforum 2025« in Berlin.

Wadephul stellte das »Existenzrecht« Israels nicht in Frage, bezeichnete es aber als inakzeptabel, dass die Palästinenser in dem vom israelischen Militär zerstörten und faktisch unbewohnbaren Gebiet nicht mit Grundnahrungsmitteln und Medikamenten versorgt werden. Wo die Regierung die Gefahr einer Verletzung des humanitären Völkerrechts sehe, »werden wir selbstverständlich dagegen einschreiten und schon gar nicht Waffen liefern«, behauptete der Minister. Die BRD lasse sich auch nicht mit Antisemitismusvorwürfen von israelischer Seite unter Druck setzen oder gar »zu einer Zwangssolidarität« nötigen. Diese werde es »in der Form nicht geben können«, sagte Wadephul.

»Diese Eskalation und der unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt gegen Zivilisten können nach internationalen und Menschenrechten nicht gerechtfertigt werden«, sekundierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) angesichts der am 16. Mai gestarteten Großoffensive »Gideons Streitwagen« laut Angaben der Kommission am Dienstag in einem Telefonat mit dem jordanischen König. »Wir fordern die israelische Regierung auf, die derzeitige Eskalation sofort zu stoppen«, ließ von der Leyen sich weiter zitieren.

Angesichts des neuenTonfalls zeigt sich der konservative Zentralrat der Juden in Deutschland irritiert. Deren Präsident, Josef Schuster, rief am Dienstag im Gespräch mit dpa zu »Vorsicht in der Debatte« auf. Politiker sollten es »vermeiden, antisemitische Narrative zu bedienen«, die »Judenhass mit Verweis auf Israels Kriegführung relativieren«. Für kritische Bemerkungen des Bundeskanzlers äußerte Schuster dennoch Verständnis.

»Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen«, hatte Kanzler Friedrich Merz (CDU) am Montag auf dem »Europaforum« Unverständnis signalisiert.

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