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Aus: Ausgabe vom 28.05.2025, Seite 5 / Inland
Urteile im VW-Dieselgate

Die Kleinen hängt man

Dieselgate: Landgericht verknackt frühere VW-Ingenieure. Prozess gegen Exkonzernchef Winterkorn lässt weiter auf sich warten
Von Sebastian Edinger
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Mit einer Betrugssoftware hatte VW Dieselmotoren ausgestattet, um den Schadstoffausstoß zu manipulieren

Ganze vier Jahre nachdem der Dieselgateprozess gegen zwei frühere Manager und zwei Ingenieure der Volkswagen AG begonnen hatte, sind am Montag vor der Wirtschaftskammer des Landgerichts Braunschweig die Urteile ergangen. Während die Manager mit Bewährungsstrafen davonkommen, wandern die Ingenieure hinter schwedische Gardinen. Die vier Beschuldigten seien während des Prozesses allesamt eines besonders schweren Falls von Betrug überführt worden, verlautbarte das Gericht. Es sei erwiesen, dass die Angeklagten den Einsatz einer illegalen Software zur Manipulation von Abgaswerten mitgeplant beziehungsweise als Mitwisser unterstützt hatten.

Der frühere Leiter der Abteilung Antriebselektronik, Hanno Jelden, muss dem Urteil zufolge für zwei Jahre und sieben Monate ins Gefängnis; der damalige Leiter der Dieselmotorenabteilung, Jens Hadler, sogar für viereinhalb Jahre. Hingegen wurden die Strafen von einem Jahr und drei Monaten gegen den ehemaligen Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer sowie von einem Jahr und zehn Monaten gegen einen früheren Abteilungsleiter zur Bewährung ausgesetzt. In ihren Schlussplädoyers zeigten sich die Angeklagten schockiert über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß – dem die Richter dann jedoch weitgehend entsprachen. Später am Tag kündigte die Verteidigung Revision an.

Während des Prozesses erhoben die Angeklagten vor allem Vorwürfe gegeneinander – und gegen den damaligen Konzernchef Martin Winterkorn. Die Frage, wer wann was wusste, konnte nicht abschließend geklärt werden. Als damaliger Boss des Konzerns trägt Winterkorn offensichtlich die Hauptverantwortung für den 2015 von der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency aufgedeckten Skandal. Ursprünglich sollte auch er sich in dem nun vorläufig beendeten Prozess verantworten. Aus »gesundheitlichen Gründen« war sein Verfahren jedoch ausgelagert worden.

Seither wurde der Prozess gegen den mittlerweile 78jährigen immer weiter hinausgezögert, bis es 2024 zu einer Anhörung kam. Bei dieser Gelegenheit bestritt Winterkorn sämtliche Vorwürfe gegen ihn und betonte, der Skandal habe seine erfolgreiche Karriere beschädigt. Einige Monate später wurde das Verfahren erneut unterbrochen, Winterkorn hatte im häuslichen Umfeld einen Unfall erlitten. Anfang 2025 sollte das Verfahren fortgeführt werden, doch auch daraus wurde nichts. Ob irgendwann noch ein Urteil gegen den seinerzeit bestbezahlten Konzernchef Deutschlands ergeht, steht in den Sternen. Ein in den USA anhängiger Prozess gegen Winterkorn scheiterte derweil an der Auslieferung durch die BRD.

Nach Bekanntwerden der kriminellen Machenschaften im September 2015 hatte Winterkorn noch Fehler eingeräumt und eine umfassende Aufklärung angekündigt. »Manipulieren und Volkswagen – das darf nie wieder vorkommen«, sagte er damals. Einen Tag später trat er zurück und hat seither wenig zur Aufklärung beigetragen. Vielmehr zeigte sich das verantwortliche Topmanagement in den folgenden Jahren vor allem erfolgreich darin, die eigenen Köpfe geschickt aus der Schlinge zu ziehen und dafür frühere Untergebene als Bauernopfer über die Klinge springen zu lassen.

Seinen Ursprung hat der Skandal bereits in den Nullerjahren: Spätestens ab 2006 tüftelte man bei VW an einer Betrugssoftware, die dann von 2008 bis 2015 in rund elf Millionen Dieselfahrzeugen verbaut wurde. Die Software erkannte, wenn das Fahrzeug sich auf dem Prüfstand befand, und schaltete dann automatisch auf eine besonders saubere Abgasrückführung um, die zwar auf der Straße zu schlechterer Fahrleistung und mehr Spritverbrauch geführt hätte, bei der Prüfung jedoch den Ausstoß von Stickoxiden deutlich reduzierte. Der tatsächliche Schadstoffausstoß überschritt die gesetzlichen Grenzwerte teilweise um das 40fache.

Laut eigenen Angaben kostete die juristische Aufarbeitung den ohnehin angeschlagenen VW-Konzern bislang rund 33 Milliarden Euro. Abgeschlossen ist die Angelegenheit mit dem Urteil von Montag allerdings längst nicht. So laufen in Braunschweig noch vier weitere Verfahren gegen insgesamt 31 Beschuldigte, sagte ein Sprecher des Gerichts am Montag. Gegen 47 weitere Angeklagte wurden demnach die Verfahren bereits gegen Geldzahlungen eingestellt.

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