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Aus: Ausgabe vom 27.05.2025, Seite 8 / Ansichten

Geraubte Hoffnung

Stopp des Familiennachzugs für Flüchtlinge
Von Nick Brauns
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Flüchtlingsfamilie in einer zur Massenunterkunft umfunktionierten Messehalle in Frankfurt am Main (9.11.2023)

Nach der Einführung verschärfter Grenzkontrollen mit demonstrativen Zurückweisungen von Schutzsuchenden bereits in der ersten Regierungswoche will das Bundeskabinett am Mittwoch weitere restriktive Migrationsgesetze beschließen.

Ausgesetzt werden soll der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus – das sind etwa Bürgerkriegsflüchtlinge, die zwar keinen Anspruch auf politisches Asyl haben, aber unter dem Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention stehen, da ihnen in ihrem Heimatland Gefahr für Leib und Leben droht. In Deutschland trifft das insbesondere auf Hunderttausende Syrer, gefolgt von einigen zehntausend Irakern und Afghanen zu.

Der Familiennachzug war bereits 2016 für zwei Jahre ausgesetzt und anschließend auf 1.000 Personen im Monat begrenzt worden. Schon dies war eine Härte für die Betroffenen, die durch das Nadelöhr der Kontingentierung noch länger getrennt bleiben. Schließlich kann der Antrag auf Familiennachzug erst nach positivem Ausgang des Asylverfahrens gestellt werden, anschließend betragen die Wartezeiten zur Visumsantragstellung oft ein bis zwei Jahre. So bleiben Familien lange Zeit auseinandergerissen und werden oft genug zerstört.

Artikel 6 des Grundgesetzes stellt die Familie unter besonderen Schutz. Das Recht auf Familiennachzug findet sich zudem in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention. Seine Aussetzung verhindert das innere Ankommen von Geflüchteten, die sich hier nur schwer ein neues Leben aufbauen können, solange sie ihre Eltern, Kinder oder Partner Tausende Kilometer entfernt wissen, die oft unter prekären und gefährlichen Verhältnissen ausharren müssen.

Während die Gesetzesnovelle einem Großteil der hier lebenden Bürgerkriegsflüchtlinge jede Hoffnung raubt, ihre Nächsten in absehbarer Zeit in ihre Arme schließen zu können, sind die praktischen Folgen begrenzt. So werden aufgrund der bislang geltenden Kontingentregel maximal 12.000 Angehörige im Jahr am Zuzug gehindert. Die AfD wirft Innenminister Alexander Dobrindt daher Augenwischerei vor. Dass die Bundesregierung für solche Symbolpolitik den Rechtsbruch auf Kosten einer ohnehin schon weitgehend rechtlosen Bevölkerungsgruppe exerziert, sollte eine Warnung sein.

Ein weiterer Gesetzentwurf aus dem Hause Dobrindt betrifft die Abschaffung der von der Ampelregierung eingeführten beschleunigten Einbürgerung bereits nach drei Jahren für sogenannte besonders gut integrierte Migranten. Anhänger des rassistischen Verschwörungsmythos vom »großen Austausch« mögen das begrüßen. Doch wer auf dem Klassenstandpunkt der arbeitenden Bevölkerung steht, sollte gleiche demokratische Rechte für alle hier lebenden Menschen einfordern. Jeder Schritt zurück davon verstärkt nur das dem Kapitalismus innewohnende Prinzip von Teile-und-Herrsche, mit dem Werktätige von unterschiedlichem rechtlichen Status gegeneinander ausgespielt werden können.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Schwedt (26. Mai 2025 um 20:07 Uhr)
    Es ist ein immerwährendes Kennzeichen der Konservativen, dass sie auf den Schwachen herumtrampeln, weil sie sich fürchten, sich sonst mit den Starken anlegen zu müssen. Das Ganze gewürzt mit einem ungenießbaren Rhetorikbrei: Das ist sie, die allfällige Programmatik des Konservatismus. In ihrer hundertsten Wiederaufführung. Auch diesmal so eklig wie stets vorher.

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