Neues aus Ninive
Von Felix Bartels
Das große Vermächtnis von Ninive findet sich nicht unter der Erde. In der Bibel vielmehr als Botschaft für religiöse oder politische Eiferer. Als Gott entschied, die von Jona der Sündenstadt überbrachte Drohung nicht wahrzumachen, war der Prophet missgelaunt. Als der dann über einen verdorrten Rizinusstrauch klagte, sagte der Herr: Du betrauerst einen Baum, und ich soll kein Erbarmen mit hunderttausend Seelen haben? Man kann auf der richtigen Seite und dennoch im Unrecht sein. Jona hatte Gerechtigkeit mit Selbstgerechtigkeit verwechselt.
Die Archäologie zieht vor, die Wahrheit unter der Erde zu suchen. Sie gräbt, was wiederum ihr gutes Recht ist. Nun hat eine Gruppe von Forschern der Universität Heidelberg, einer auf der Webseite der Lehranstalt veröffentlichten Meldung nach, ein weiteres Puzzlestück gefunden, das die Realgeschichte der antiken Stadt Ninive ein Stückchen mehr ins Licht holt.
Im Thronsaal des Nordpalastes von König Assurbanipal entdeckten die Archäologen große Teile eines monumentalen Reliefs, das den Herrscher des assyrischen Reiches aus dem 7. Jahrhundert v. u. Z. in Begleitung zweier bedeutender Gottheiten sowie weiterer Figuren zeigt. Das Relief war auf einer mächtigen Steinplatte von fünfeinhalb Metern Länge und drei Metern Höhe angebracht, die ein Gewicht von rund zwölf Tonnen hat. Der Fund ist für die Wissenschaftler nicht nur wegen seiner Größe außergewöhnlich, sondern auch im Hinblick auf die Symbolik: »Unter den zahlreichen Reliefdarstellungen assyrischer Paläste, die uns bekannt sind, gibt es keine Darstellung der großen Gottheiten«, erläutert Aaron Schmitt vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie, der die Ausgrabungen im Nordpalast leitet.
Seit 2022 forschen Schmitt und sein Team auf dem Kuyunjik-Hügel im Kernbereich des Nordpalastes. Die Ausgrabungen sind Teil des 2018 gestarteten Heidelberger Ninive-Projekts. Im Zentrum des Reliefs ist Assurbanipal dargestellt, der letzte große Herrscher des assyrischen Reichs. Die abgebildeten hohen Gottheiten sind Assur und Ištar, die Stadtgöttin von Ninive. Außerdem abgebildet: ein Fischgenius, der den Göttern und dem Herrscher Heil und Leben spendet, sowie eine Stützfigur mit erhobenen Armen, vermutlich als Skorpionmensch zu rekonstruieren. Die Figuren lassen Schmitt zufolge darauf schließen, dass ursprünglich über dem Relief eine riesige geflügelte Sonnenscheibe angebracht war. Auf Grundlage der vor Ort gesammelten Daten werden die Wissenschaftler in den kommenden Monaten die Darstellung sowie den Fundkontext detailliert untersuchen und die Ergebnisse publizieren.
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