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Aus: Ausgabe vom 17.05.2025, Seite 12 / Thema
Palästina

Wir werden zurückkehren!

Vor hundert Jahren wurde Malcolm X geboren. Seine Verbundenheit mit Gaza wurde bislang kaum gewürdigt
Von Jürgen Heiser
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Für Malcolm X, hier im April 1964 betend in einer Kairoer Moschee, war die Reise in den Nahen Osten eine prägende Erfahrung

Am 19. Mai 2025 wäre der afroamerikanische Muslim Malcolm X hundert Jahre alt geworden. Es waren »hundert Jahre eines Lebens und Vermächtnisses, das Millionen von Menschen auf der ganzen Welt begeistert, bewegt, motiviert und inspiriert hat«, schrieb das Shabazz Center in New York City¹ zu den Feierlichkeiten und Bildungsangeboten unter dem Motto »Malcolm 100«. Zuvor hatte das Shabazz Center am 21. Februar 2025 mit einer Großveranstaltung des 60. Jahrestags seiner Ermordung gedacht.

Die starke Pro-Palästina-Bewegung in den Vereinigten Staaten hat das Interesse an der langen Geschichte der Solidarität zwischen Black America und Palästina neu entfacht. Die Anfänge dieses Verhältnisses internationalistischer Politik werden historisch oft um den sogenannten Sechstagekrieg Anfang Juni 1967 verortet. Das Student Nonviolent Coordinating Committee und die Black Panther Party setzten damals erste Zeichen für ihre Solidarität mit der aus ihrer Heimat vertriebenen palästinensischen Bevölkerung.

Die frühe Geschichte des radikalen afroamerikanisch-palästinensischen Bündnisses ist nur fragmentarisch rekonstruierbar, doch ist es angesichts des von der Regierung Benjamin Netanjahus verübten Völkermords an der Zeit, auch dieses Verdienst von Malcolm X zu würdigen. Mit seinem Besuch im Gazastreifen 1964 und mit seiner daraus folgenden politischen Kritik an der »Logik des Zionismus« hat dieser Vorkämpfer eines antiimperialistischen Panafrikanismus wesentlich zur heutigen Palästina-Solidarität in den USA beigetragen.

Nach seiner Trennung von der US-amerikanischen Nation of Islam und seiner Pilgerfahrt nach Mekka im April 1964 trug Malcolm X auch den Namen El-Hajj Malik el-Shabazz. Ausdruck des grundlegenden Wandels seiner Weltanschauung war die Gründung der Organisation für Afroamerikanische Einheit (OAAU) im Juni nach dem Vorbild der im Jahr zuvor gegründeten Organisation für Afrikanische Einheit (OAU). Die OAAU suchte die Zusammenarbeit mit den unabhängig werdenden Ländern Afrikas. Anders als die von Martin Luther King Jr. repräsentierte Bürgerrechtsbewegung sollte die OAAU jedoch den Schwerpunkt auf den Kampf für die Menschenrechte weltweit verlagern und damit von einer innerstaatlichen Angelegenheit in eine von internationalem Belang erweitern. Die Unterdrückung der Schwarzen in den USA seit der Sklaverei gehöre vor die Generalversammlung der Vereinten Nationen und ihre Gremien, so Malcolm X. Seine Hoffnung setzte er dabei auf die Unterstützung der vom Kolonialismus befreiten Nationen des Trikont.

Mordversuche

Nach Gründung der OAAU bereiste Malcolm X vier Monate lang afrikanische Länder und den Nahen Osten. Im Juli 1964 nahm er in Kairo als Beobachter an der zweiten Konferenz der OAU teil. In der im Vorjahr von der OAU verabschiedeten »Declaration for the Elimination of All Forms of Racial Discrimination« sah Malcolm X eine Grundlage, die Lage der Schwarzen in den USA auf der Konferenz zu thematisieren. In einem Memorandum, das er an die Delegierten verteilte, erklärte er für die OAAU: »Unser Problem ist kein amerikanisches, sondern ein Weltproblem, ein Problem der Menschheit.« Er hoffe, »dass unsere afrikanischen Brüder sich nicht vom europäischen Kolonialismus befreit haben, nur um vom amerikanischen Dollarismus überwältigt und beherrscht zu werden«. »Im Interesse des Weltfriedens und der Sicherheit« bat er die OAU darum, »eine sofortige Untersuchung unseres Problems durch die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen anzuregen«.²

Sein Appell veranlasste die OAU, eine Entschließung zu verabschieden, in der sie »ihre Überzeugung bekräftigen, dass diskriminierende Praktiken für die Mitgliedstaaten der OAU eine Angelegenheit von großer Bedeutung« seien. An Washington ergehe die Aufforderung, seine »Anstrengungen zu verstärken, um die vollständige Beseitigung aller Formen der Diskriminierung aufgrund von ›Rasse‹, Hautfarbe oder ethnischer Herkunft zu gewährleisten«.

Aufgeschreckt setzte die US-Botschaft in Kairo danach alle Hebel in Bewegung, Malcolm X daran zu hindern, weiter bei der Konferenz aufzutreten. Doch die ägyptische Regierung und die OAU-Verantwortlichen wiesen die Einmischung zurück. Malcolm X nahm weiter an den Sitzungen teil, und englischsprachige Zeitungen wie die Egyptian Gazette, die Egyptian Mail sowie der Arab Observer brachten Artikel von ihm und interviewten ihn. Wie die New York Times am 13. August 1964 berichtete, wuchs im US-Außen- und Justizministerium die Sorge über die Kampagne von Malcolm X. Washington entschied, »dass es an der Zeit war, Malcolms Aktivitäten im Ausland zu stoppen«.³

Am 23. Juli brach Malcolm X nach einem Essen im Hotel »mit schweren Bauchschmerzen« zusammen. Als Notfall wurde ihm in einer Klinik der Magen ausgepumpt und so »das Leben gerettet«. Die Analyse des Mageninhalts ergab »eine giftige Substanz«. Malcolm X war überzeugt, »dass jemand versucht hat, mich zu vergiften«.⁴

Nachdem er sich erholt hatte und die Medien ihm, seinem Treffen mit zahlreichen OAU-Delegierten sowie seiner Rede vor 800 Studierenden der Universität von Alexandria große Aufmerksamkeit widmeten, musste er am 6. August ein weiteres Mal nach einem Essen wegen heftiger Leibschmerzen notärztlich behandelt werden. In seinem Reisetagebuch notierte er, es sei ihm »so schlecht gegangen, dass ich dachte, ich würde wirklich sterben«.⁵ Dazu merkte er gegen Ende seines Aufenthaltes in Kairo am 29. August in einem Brief an die OAAU an, sein Agieren dort sei »gefährlich« weil es »eine direkte Bedrohung des internationalen Systems rassistischer Ausbeutung« und »Diskriminierung in all ihren Formen« darstelle. Wenn er getötet werde, so Malcolm X an die OAAU in New York, »könnt ihr sicher sein, dass das, was ich in Gang gesetzt habe, niemals mehr zu stoppen« sei.⁶

Besuch im Gazastreifen

Nach Beginn des zweiten Gipfeltreffens der Arabischen Liga im ägyptischen Alexandria, auf dem die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO offiziell begrüßt wurde, begab sich Malcolm X am 5. September 1964 zu einem zweitägigen Besuch nach Palästina. Sein Ziel war der Gazastreifen, dessen Gebiet seit 1948 unter der Verwaltung Ägyptens stand, weshalb der Grenzübertritt relativ unkompliziert war.

Malcolm X wurde auch im Gazastreifen mit großer Offenheit und spürbarem Respekt empfangen. Den Notizen in seinem Reisetagebuch zufolge sollte er dort zunächst mit dem ägyptischen Militärgouverneur des palästinensischen Gebiets zu Gesprächen zusammentreffen. Der war jedoch durch den Gipfel der Arabischen Liga verhindert, so dass sein Assistent, Oberst El-Mustafa Khabaga, Malcolm X empfing. Der Offizier begleitete ihn am ersten seiner beiden Besuchstage in das Niemandsland an der Grenze, zu einem Krankenhaus und dem Flüchtlingslager im nahen Khan Junis. Hier lebten seit der Nakba (Katastrophe) von 1948 Tausende Vertriebene, die vor den ethnischen Säuberungen aus den von Israel besetzten Gebieten geflohen waren.

Das Leid und Elend Hunderttausender arabischer Menschen in Palästina erschütterte Malcolm X und erfüllte ihn zugleich mit einem tiefen Mitgefühl. »Unser Problem in Amerika ist ein weltweites Problem«, stellte er fest und zog Parallelen zwischen dem palästinensischen Kampf und dem der Schwarzen in den USA.

Nach dem Besuch und den Gesprächen im Lager Khan Junis kam es zu einer überraschenden Begegnung mit dem »Dichter der Nakba«, Harun Hashim Rashid (1927–2020). »Er saß da und erzählte mir von seinen zahlreichen Erlebnissen und seiner Flucht, als Israel 1956 in Gaza einmarschierte«, so seine Reisenotiz. Zutiefst bewegt erfuhr Malcolm X durch Rashids Schilderungen von den dramatischen Ereignissen während der Suezkrise im Oktober 1956, als die israelischen Streitkräfte (IDF) im Kampf um den Suezkanal auf der Seite Frankreichs und Großbritanniens in den Gazastreifen einfielen und Hunderte Menschen ermordeten. Rashid entkam dem »Massaker von Khan Junis« nur knapp.

Der Dichter stammte aus dem Flüchtlingslager Al-Schati, das im nördlichen Gazastreifen im Gouvernement Gaza-Stadt lag. Das Lager war 1948 für mehr als 20.000 Palästinenser errichtet worden, die von zionistischen Milizen aus den Städten Jaffa, Lod und Beerscheba sowie umliegenden Dörfern vertrieben worden waren. Im Gazastreifen lebten zu Beginn des Jahres 1948 etwa 80.000 Menschen, am Ende des Jahres waren es dreimal so viele. Sie wurden in acht Lagern untergebracht.

Durch Raschids Erzählungen fühlte sich Malcolm X ganz besonders von dessen ins Englische übertragenen Gedicht mit dem Titel »We must return« berührt, weshalb er es eilig und für andere schwer lesbar in seinem Reisetagebuch notierte. In der erst 2013 gedruckten Fassung des Tagebuchs ist es indes nicht enthalten.

Rashids Gedicht

»Es sollte keine Grenzen geben /
Hindernisse können uns nicht aufhalten /
Schreit es heraus, Geflüchtete: Wir werden zurückkehren! /
Ruft es von den Bergen: Wir werden zurückkehren! /
Ruft es ins Tal: Wir werden zurückkehren!⁷ //

Wir kehren zurück zu unserer Jugend /
Palästina ruft uns auf, uns zu bewaffnen /
Und wir sind bewaffnet und werden kämpfen m/
Wir müssen zurückkehren!«

Rashid begleitete Malcolm X während seines gesamten Aufenthalts. Gemeinsam mit Oberst Khabaga suchten sie das Parlamentsgebäude in Gaza-Stadt auf, »wo wir von etwa 21 bis 23 Uhr eine Pressekonferenz abhielten«, notierte Malcolm X. »Dort überhäuften sie mich mit Geschenken, darunter ein Bild des ›High Dam‹, das der Oberst für mich von der Wand des Plenarsaals abnehmen ließ.« Hintergrund dieser Geste war, dass der seit 1960 am Nil im Bau befindliche Assuan-Staudamm zu einem Symbol für die von Präsident Gamal Abdel Nasser veranlasste Verstaatlichung des Suezkanals geworden war. Dieser Schritt war Teil einer sozialen und politischen Revolution gegen die imperialistischen Kräfte. Nasser war überzeugt, dass durch die Kontrolle über den Suezkanal und die Verwendung der Einnahmen für den Bau des Assuan-Staudamms Ägypten gleichzeitig Israel als »Trojanisches Pferd des westlichen Imperialismus« bekämpfen und sich der britischen und US-amerikanischen »Dollardiktatur« widersetzen könne.

Als Malcolm X und seine Begleiter sich mit mehreren muslimischen Geistlichen zum Gebet in eine Moschee begaben, notierte er »Der Geist Allahs war stark« in seinem Tagebuch. »Oberst Khabaga, ein religiöser Richter, ein Verleger, der Bürgermeister, sie alle waren da.« Rashid erklärte dazu, »dass alle Menschen, die Malcolm X in Gaza trafen, ihn liebten, darunter auch der oberste Richter und Gelehrte von Gaza, Scheich Mohammed Khulusi Bseiso.« Richter Bseiso sei »beeindruckt von Malcolm X’ Wissen, Taktgefühl und Bescheidenheit« gewesen, weshalb er ihn unbedingt »bei seinen weiteren Besuchen im Gazastreifens begleiten« wollte. Malcolm X sei »mit dem starken Wunsch nach Gaza gekommen, etwas über die palästinensische Sache zu lernen«, notierte Rashid. Er sei »ein echter Muslim und Humanist, der über die Tragödien der Palästinenser viele Male Tränen vergoss«.

Am Ende seines Aufenthaltes im Gazastreifen brachte Richter Muhammad Bseiso Malcolm X persönlich zum Flughafen von Al-Arisch in Nordägypten. »Als Malcolm X die Gangway zu seiner Maschine hinaufstieg«, so Rashid, »winkte er uns zu und rief: ›Wir kehren zurück! Wir kehren zurück!‹«

Eine Frage des Kolonialismus

Die klare Haltung und deutliche Stimme von Malcolm X, seine Gespräche mit Ahmed Al-Schukeiri (1908–1980), dem Gründer und ersten Vorsitzenden der PLO, in Kairo, spielten innerhalb der afroamerikanischen Gemeinschaft der 1960er Jahre eine entscheidende Rolle bei der Sensibilisierung für die palästinensische Situation. »Das Problem, das in Palästina besteht, ist kein religiöses Problem. Es ist eine Frage des Kolonialismus. Es ist die Frage eines Volkes, das seiner Heimat beraubt wird«, so Malcolm X in Kairo. Für ihn war der Zionismus als Ideologie eines militanten Siedlertums gegen die einheimische arabische Bevölkerung untrennbar mit dem europäischen Kolonialismus verbunden.

Zum Umgang mit dem hier abgedruckten und wenig bekannten Artikel »Die Logik des Zionismus«, den Malcolm X noch in Kairo verfasste, bemängelte der Autor Ali Hammoud in seinem Artikel »Malcolm X’ letzte geschriebene Worte bezogen sich auf den Zionismus«⁸, dass dessen Reise nach Gaza ebenso wie sein Artikel in der von Alex Haley herausgegebenen Autobiographie keine Erwähnung finde. Nicht anders in den vielbeachteten Biographien »The Dead Are Arising« von Les und Tamara Payne sowie Manning Marables »A Life of Reinvention«. Marable habe Malcolm X in Sachen Palästina sogar »politischen Opportunismus« vorgeworfen, so Hammoud, »um die Unterstützung des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser zu erlangen«. Zwar hielt Malcolm X – wie er 1964 in einem Interview⁹ sagte – zum damaligen Zeitpunkt »Ägypten und Ghana für die vorderste Front« im Kampf um die Dekolonialisierung, doch er war kein Heuchler. Die palästinensische Sache war ihm ebenso ernst wie die vollständige Befreiung des Nahen Ostens, Afrikas, Lateinamerikas und Asiens, allen voran Vietnams. Er konnte jedoch noch nicht wissen, dass seine 1964 erstmals veröffentlichte Kritik am Zionismus 61 Jahre später immer noch Gültigkeit haben würde.

Anmerkungen

1 Das »Malcolm X and Dr. Betty Shabazz Memorial and Educational Center« (https://theshabazzcenter.org/) ist ein Bildungszentrum und eine Gedenkstätte für Malcolm X und seine Frau Betty Shabazz (1936–1997) im Gebäude des ehemaligen Audubon Ballroom in New York City, in dem Malcolm X am 21. Februar 1965 ermordet wurde

2 Vgl. George Breitman (Hg.): Malcolm X Speaks. New York 1966, S. 73 ff.

3 Vgl. Marika Sherwood: Malcolm X – Visits Abroad. Hollywood 2011, S. 80 ff.

4 Ebd., S. 85

5 Herb Boyd/Ilyasah Al-Shabazz (Hg.): The Diary of Malcolm X – El-Hajj Malik El-Shabazz – 1964. Chicago 2013, Kindle-Version, Position 1293

6 George Breitman (Hg.): By Any Means Necessary. New York 1970, S. 110

7 Im Original des »Travel Diary July–November 1965« von Malcolm X auf Mikrofilm in »The Malcolm X collection: papers« des Schomburg Center for Research in Black Culture, New York, ist zu erkennen, dass Malcolm X in flüchtiger Schrift »valley« (Tal) notiert hatte. Oft wird es auch falsch mit »alley« (Gasse) wiedergegeben.

8 In: Mondoweiss, 23.03.2024, https://mondoweiss.net/2024/03/malcolm-xs-final-written-words-were-about-zionism-here-is-what-he-said/

9 Bruce Perry (Hg.): Malcolm X – The Last Speeches. New York 1989, S. 96

Jürgen Heiser schrieb an dieser Stelle zuletzt am 25. Oktober 2024 über Positionen und Reaktionen der US-Linken auf Kamala Harris: »Kritik contra Verblendung«.

Die Logik des Zionismus

Von Malcom X

Die zionistischen Armeen, die heute Palästina besetzt halten, behaupten, ihre altertümlichen jüdischen Propheten hätten ihnen vorausgesagt, ihr Gott werde ihnen in der »Endzeit dieser Welt« einen »Messias« erscheinen lassen und sie in ihr gelobtes Land führen. In diesem neu gewonnenen Land würden sie ihre »göttliche« Regierung errichten und »alle anderen Nationen mit eisernem Stab regieren«.

Wenn die israelischen Zionisten glauben, dass ihre gegenwärtige Besetzung des arabischen Palästina die Erfüllung der Prophezeiungen jüdischer Propheten ist, dann leiten sie auch religiöse Motive bei der Erfüllung von Israels »göttlicher« Mission ab, alle anderen Nationen mit eisernem Stab regieren zu müssen. Diese Form eiserner Herrschaft scheint noch fester verankert als die der früheren europäischen Kolonialmächte.

Die israelischen Zionisten hängen dem Glauben an, dass ihr jüdischer Gott sie auserwählt hat, den überholten europäischen Kolonialismus durch einen neuen Kolonialismus zu ersetzen. Der hat sich so gut getarnt, dass er die afrikanischen Massen dazu verleiten kann, sich bereitwillig ihrer »göttlichen« Autorität und Führung zu unterwerfen, ohne dass sie bemerken, dass sie immer noch das Joch des Kolonialismus tragen.

Tarnung

Israels Zionisten sind davon überzeugt, dass sie ihre neue Art des Kolonialismus erfolgreich verschleiert haben. Ihr Kolonialismus erscheint »wohlwollender«, »menschenfreundlicher«. Er ist ein System, dessen Herrschaft schlicht bedeutet, ihre potentiellen Opfer dazu zu bringen, ihre freundlichen Angebote von wirtschaftlicher »Hilfe« und andere verlockende Geschenke anzunehmen. Die setzen sie den jüngst unabhängig gewordenen afrikanischen Nationen, deren Wirtschaft in großen Schwierigkeiten steckt, einfach vor die Nase.

Im 19. Jahrhundert, als die Massen hier in Afrika größtenteils noch Analphabeten waren, war es für die europäischen Imperialisten ein leichtes, mit »Gewalt und Furcht« über sie zu herrschen. Aber in der gegenwärtigen Ära der Aufklärung erwachen die afrikanischen Massen, und es ist unmöglich, sie jetzt noch mit den antiquierten Methoden des 19. Jahrhunderts in Schach zu halten.

Die Imperialisten sind daher gezwungen, neue Methoden zu entwickeln. Da sie die Massen nicht mehr mit Gewalt oder Furcht zur Unterwerfung zwingen können, müssen sie dafür moderne Methoden entwickeln.

In der Epoche des Neoimperialismus im 20. Jahrhundert ist der »Dollarismus« die zeitgemäße Waffe. Die Zionisten beherrschen die Wissenschaft dieses Dollarismus: die Fähigkeit, sich als Freunde und Wohltäter auszugeben und Geschenke sowie andere Formen wirtschaftlicher Hilfe und Angebote technischer Unterstützung mitzubringen. So sind die schnell wachsende Macht und der Einfluss des israelischen Zionismus auf viele der gerade »unabhängig« gewordenen afrikanischen Nationen noch stabiler, als es Macht und Einfluss der europäischen Kolonialisten des 18. Jahrhunderts waren. Und diese neue Art des zionistischen Kolonialismus unterscheidet sich nur in Form und Methode, aber keineswegs in Motiv oder Ziel.

Als die europäischen Imperialisten gegen Ende des 19. Jahrhunderts in weiser Voraussicht erkannten, dass die erwachenden Massen Afrikas sich der althergebrachten imperialen Methode von Gewalt und Furcht nicht unterwerfen würden, mussten diese stets hinterhältigen Imperialisten eine »neue Waffe« schaffen und eine »neue Operationsbasis« für diese Waffe finden.

Dollarismus

Die wichtigste Waffe des Imperialismus im 20. Jahrhunderts ist der Dollarismus, und eine der wichtigsten Operationsbasen dieser Waffe ist der Zionismus Israels. Die europäischen Imperialisten haben Israel klugerweise dort plaziert, wo es die arabische Welt geographisch aufteilen, die afrikanischen Führungsschichten infiltrieren, unter ihnen Zwietracht säen sowie Afrikaner und Asiaten spalten kann.

Die Besetzung Palästinas durch das zionistische Israel hat die arabische Welt gezwungen, Milliarden kostbarer Dollars für Rüstungszwecke zu verschwenden, was es den neuen unabhängigen arabischen Nationen unmöglich macht, sich auf die Stärkung der Ökonomie ihrer Länder zu konzentrieren und den Lebensstandard ihrer Bevölkerung zu verbessern.

Der anhaltend niedrige Lebensstandard in der arabischen Welt wurde von der zionistischen Propaganda geschickt genutzt, um den Afrikanern den Eindruck zu vermitteln, die arabischen Anführer seien intellektuell oder technisch nicht in der Lage, den Lebensstandard ihrer Völker zu heben. So wollen sie die Afrikaner indirekt dazu bringen, sich von den Arabern ab- und den Israelis zuzuwenden, um von ihnen Ausbilder und technische Unterstützung zu erhalten.

»Sie verkrüppeln den Flügel des Vogels und verurteilen ihn dann, weil er nicht so schnell fliegt wie sie.« Die Imperialisten stehen nur deshalb gut da, weil sie mit wirtschaftlich schwachen Ländern konkurrieren, die gerade erst unabhängig geworden sind (…). Die Imperialisten wollen sich nicht einem fairen Wettbewerb stellen, deshalb fürchten sie Gamal Abdel Nassers Aufruf zur afrikanisch-arabischen Einheit im Sozialismus.

Messias?

Wenn die von der Religion bestimmte Behauptung der Zionisten wahr ist, dass sie von ihrem Messias in das gelobte Land geführt werden, und wenn Israels gegenwärtige Besetzung des arabischen Palästina die Erfüllung dieser Prophezeiung sein soll: Wo ist dann ihr Messias, von dem ihre Propheten sagten, dass er sie dorthin führen werde? Es war Ralph Bunche, der durch seine »Vermittlung« die Zionisten in den Besitz des besetzten Palästina brachte! (Ralph Johnson Bunche war UN-Diplomat und Akteur der US-Bürgerrechtsbewegung. Er erhielt 1950 als erster Mensch mit afrikanischer Abstammung den Friedensnobelpreis für seine Vermittlertätigkeit in Palästina Ende der 1940er Jahre; J. H.) Ist etwa Ralph Bunche der zionistische Messias? Wenn jedoch Ralph Bunche nicht ihr Messias ist, und ihr Messias noch nicht gekommen ist, was haben sie dann in Palästina zu suchen?

Hatten die Zionisten das juristische oder moralische Recht, in Palästina einzumarschieren, die arabischen Bürger aus ihren Häusern zu vertreiben und sich allen arabischen Besitz anzueignen, nur weil ihre Vorfahren vor Tausenden von Jahren dort gelebt haben? Vor tausend Jahren lebten auch die Mauren in Spanien. Gibt das den Mauren von heute das juristische und moralische Recht, in die iberische Halbinsel einzudringen, die spanischen Bürger zu vertreiben und dann eine neue marokkanische Nation zu gründen – dort, wo einst Spanien war –, wie es die europäischen Zionisten mit unseren arabischen Brüdern und Schwestern in Palästina getan haben?

Kurz gesagt, das Argument der Zionisten, mit dem sie Israels gegenwärtige Besetzung des arabischen Palästina rechtfertigen, hat historisch gesehen weder eine vernünftige noch eine rechtliche Grundlage – nicht einmal in der Logik ihrer eigenen Religion.

Wo ist ihr Messias?

Aus: Egyptian Gazette, Kairo, 17.9.1964

Übersetzung aus dem Englischen: Jürgen Heiser

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