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Klingbeils Militärkeynesianismus

Zu Lust und Risiken des Kapitalverkehrs
Von Lucas Zeise
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Der Militär- oder Rüstungskeynesianismus ist älter als der gemeine und zivile Keynesianismus. Robert Skidelsky (86), Biograph von John Maynard Keynes und eine der wenigen Stimmen der Vernunft im britischen Oberhaus, hat das in der vergangenen Woche mal wieder festgestellt. Der Militärkeynesianismus sei der einzige, den die »Konservativen« akzeptieren, schreibt er. »Keynesianische Politik wurde im Krieg geboren, nicht im Frieden.«

Aufrüstung und Krieg hätten in den USA und Großbritannien die Arbeitslosigkeit beseitigt. Im Zweiten Weltkrieg habe das Wirtschaftswachstum bei jährlich 17 Prozent gelegen. Auch die typische Form des Nachkriegskeynesianismus sei Militärkeynesianismus gewesen. Zwischen 1950 und 1970 hätten die Militärausgaben in den USA die Hälfte des föderalen Regierungsbudgets ausgemacht. Im Fall der USA war das nicht nur Rüstung, sondern auch das Führen aktiver Kriege, speziell in Korea und Vietnam.

Skidelsky ist bei weitem nicht der erste, der das feststellt. Aber er ist ein Vorzeigekeynesianer, was seine Bemerkungen interessant macht. Anlass für Skidelskys Anmerkungen ist die neue deutsche Regierung und die Aufhebung der zur Abwehr keynesianischer Wirtschaftspolitik 2009 installierten Schuldenbremse ausdrücklich für militärische Zwecke. Am Tag, als der alte Bundestag den Beschluss dazu fasste, wurde das in jW als »Rüstungskeynesianismus« benannt. Eine treffende Formulierung.

Man kann den Akteuren der Merz-Regierung nicht vorwerfen, dass sie keynesianische Politik als Verkaufsargument für ihr Tun benutzen. Das glatte Gegenteil ist der Fall. Außenminister Johann Wadephul (CDU) plädiert für Rüstungsausgaben in Höhe von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts als einen Wert an sich und weil US-Präsident Donald Trump es wünscht. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) bezeichnet sich als »Investitionsminister«, vermeidet aber jeden Hinweis darauf, welche Infrastrukturvorhaben aus dem 500 Milliarden Euro umfassenden Sonderfonds nun tatsächlich durch Staatsaufträge angefasst werden sollen.

Beim Infrastrukturfonds muss im Gegensatz zur für die Rüstung offenen Schuldenermächtigung jedes Vorhaben daraufhin geprüft werden, ob es eine »zusätzliche« Investition ist. Vor der Erstellung des Haushalts 2025 und des Gesetzes für die Einrichtung des »Sondervermögens Infrastruktur« im Juni passiert in diese Richtung nichts. Keynesianische Wachstumsförderung durch öffentliche Auftragsvergabe soll und wird außerhalb des Rüstungssektors damit nicht stattfinden. Sie steht vielmehr, wie Klingbeil und der Koalitionsvertrag formulieren, »unter Finanzierungsvorbehalt«.

Konkret festgelegt haben Klingbeil und Merz allein den »Investitionsbooster«. Das ist die Genehmigung für die Unternehmen, schon im laufenden Jahr getätigte Investitionen zu 30 Prozent steuerlich abschreiben und damit ihren Gewinn nach Steuern boostern zu können. Solche Erweiterungsinvestitionen dienen nach Lage der Dinge ausschließlich der Kapazitätserweiterung im Rüstungssektor. Wir sind im vorkeynesianischen, von den »Konservativen« tolerierten und von zivilen Elementen gereinigten Militärkeynesianismus angekommen.

Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen

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