Sieben Jahre Pech
Von Klaus Fischer
Am Freitag startete der Dax mit frischen Hoffnungen auf ein weiteres Allzeithoch ins Wochenende. Auch wenn offensichtlich ist, dass die trotz Rezession und augenscheinlichen Krisensymptomen anhaltenden Höhenflüge des deutschen Börsenleitindex weniger der Realität und viel mehr der Hoffnung der Spekulanten und Dividendenjäger geschuldet waren und sind, fiel eines besonders ins Auge: Der seit Jahren an Wert verlierende Anteilsschein der Bayer AG hatte sich plötzlich an die Spitze der Tagesgewinner gesetzt. Der Leverkusener Pharma- und Agrochemiekonzern will sich anscheinend von seinem Verlustbringer Monsanto trennen. Eine Insolvenz der US-Tochter werde nicht ausgeschlossen, meldete die Nachrichtenagentur Reuters am Freitag.
Bayer hatte das Unternehmen 2018 für den vermeintlichen Schnäppchenpreis von 63 Milliarden US-Dollar gekauft. Für das damals agierende Management schien das ein Traumgeschäft. Monsanto, das mit gentechnisch verändertem Saatgut auf dem Weg war, die globalen Agrarmärkte (und Landwirte) zu dominieren, erschien den Leverkusener Managern und Aufsichtsräten als ideales zweites Standbein zum Pharmageschäft (die Chemiesparte hatte der IG-Farben-Nachfolger bereits zuvor ausgegliedert). Doch bereits damals gab es ernste Warnungen, dass sich dieser Coup als Fehlgriff erweisen werde.
Monsanto war nämlich nicht nur ein weltweit agierender Saatgutriese. Der Konzern hatte mit Glyphosat auch einen Unkrautvernichter im Angebot, der im Verdacht stand und steht, krebserregend zu sein. Zwar streiten sich Aufsichtsbehörden und Wissenschaftler bis heute, ob das tatsächlich zutrifft. Dennoch war bereits vor der Übernahme durch Bayer klar, dass zahlreiche Fälle von derartigen tödlichen Erkrankungen angezeigt worden waren. Betroffene, an Krebs erkrankte Käufer, Anwender oder deren Hinterbliebene klagten auf Schadenersatz. Und das nicht in erster Linie in Pakistan, Italien oder Argentinien, sondern in den USA, wo enorme Streitwerte einen Verkäufer beanstandeter Waren schnell in den Ruin treiben können.
Bereits ein Jahr vor dem Kauf von Monsanto hatte die zuständige Behörde des wirtschaftlich stärksten US-Bundesstaates Kalifornien Glyphosat auf eine Liste mit Chemikalien gesetzt, die krebserregend sind. Das ignorierte Bayer ebenso wie die bereits bis dahin aufgeflammten und auch in Zukunft zu erwartenden zivilrechtlichen Widerstände. Den Dax-Konzern kostete das nicht nur Milliardensummen, sondern drohte auch, seine öffentliche Reputation in der Pharmabranche zu beschädigen – und das nicht nur bei Aspirin.
Seit der Übernahme 2018 fiel der Aktienwert Bayers deutlich – von etwas über 100 Euro 2018 auf knapp unter 20 Euro Ende 2024. Vor allem litten die Profite. 2020 sowie 2023 und 2024 musste das Unternehmen sogar herbe Verluste ausweisen. Hinzu kam, dass die Aussicht auf eine Besserung der Lage eher durchwachsen war. Also beschloss die Konzernführung, in den USA extrem aktive Lobbyarbeit zu leisten – mit dem Ziel, gesetzliche Veränderungen anzuregen, um den aktuell noch mehr als 65.000 anhängigen Klagen die Grundlage zu entziehen. Mit einem Insolvenzverfahren nach US-Recht (Chapter 11) würde sich das Unternehmen etwa vor Forderungen seiner Gläubiger schützen.
Laut einem Handelsblatt-Bericht vom Mittwoch war der Konzern dabei auf einem guten Weg – denn auch zahlreiche US-Politiker würden eine Monsanto-Pleite gerne vermeiden. Auch stützen bei weitem nicht alle den Kurs der Trump-Administration. Doch dann berichtete das Wall Street Journal, dass US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy seine eigenen Pläne habe: Dieser wolle im Rahmen seiner Initiative »Make America healthy again« Glyphosat als potentiell gesundheitsgefährdend einstufen.
Daraufhin gab am Donnerstag nicht nur der Aktienkurs erneut nach. Auch die Hoffnungen der Aktionäre auf ein vom obersten US-Gericht (Supreme Court) angeordnetes Ende der Rechtsstreitigkeiten löste sich anscheinend in Luft auf. Am Freitag dann feierte man an der Börse das mögliche Ende des Monsanto-Engagements. Fazit: Bayer hatte seit der Übernahme nicht sieben Jahre Pech, sondern bekommt lediglich die Quittung für sieben Jahre (und mehr) extremer Profitgier.
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