Trumps Golf-Parcours
Von Jörg Kronauer
Die vergangenen acht Tage sind, was die Außenpolitik der Vereinigten Staaten angeht, die vielleicht ereignisreichsten der an krassen Entscheidungen und exzentrischen Sprüngen nicht gerade armen bisherigen Amtszeit von Donald Trump gewesen. Erst rühmte sich der Präsident, er sei es gewesen, der den eskalierenden Waffengang zwischen Indien und Pakistan beendet habe. Dann verkündete er sozusagen einen ökonomischen Waffenstillstand im erbitterten Zollkrieg gegen China. Es folgte eine mehrtägige Reise in den Nahen Osten, auf der Geschäfte im Wert von Milliarden US-Dollar vereinbart, die Beziehungen zu Syrien auf den Kopf gestellt und ein Atomdeal mit Iran in greifbare Nähe gerückt wurden. Lediglich aus dem zwischenzeitlich in Aussicht gestellten Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Istanbul wurde nichts.
Rechenzentren in der Wüste
Die Geschäfte, die Trump in den vergangenen Tagen mit Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) besiegelte, sind in mancher Hinsicht beispiellos. Das gilt für den Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien: Waffenlieferungen im Wert von 142 Milliarden US-Dollar, auf die sich beide Seiten vorläufig geeinigt haben, sind Rekord. Demgegenüber verblassen die Rüstungslieferungen von 42 Milliarden US-Dollar an Katar und von schon fast mickrigen 1,4 Milliarden US-Dollar an die VAE. Auf lange Sicht noch folgenreicher aber ist, dass Trump die Schleusen für den Export von KI-Chips auf die Arabische Halbinsel geöffnet hat. Insbesondere Saudi-Arabien und die VAE wollen ihren Energiereichtum nutzen, um riesige Rechenzentren für künstliche Intelligenz zu betreiben. Dazu locken sie – zusätzlich zur Förderung eigener Unternehmen, etwa des emiratischen Hightechkonzerns G42 – vor allem US-Unternehmen an, etwa Microsoft. Allein Nvidia soll künftig Hunderttausende KI-Chips im Jahr in die Emirate liefern. Geht der Plan auf, dann werden die Golfstaaten zu einem der wichtigsten KI-Zentren weltweit, von dem aus US-Konzerne Europa und Afrika bedienen.
Der Plan beruht auf einer Voraussetzung: dass der Großkonflikt mit Iran auf die eine oder die andere Weise beigelegt wird. Denn niemand baut milliardenschwere Rechenzentren, wenn er damit rechnen muss, dass sie bei der nächsten Eskalation mit Iran – oder auch mit den jemenitischen Ansarollah – mit Drohnen oder Raketen zerschossen werden. Die Erkenntnis brachte Saudi-Arabien einst dazu, nach einem Ansarollah-Angriff auf seine Ölanlagen im Sommer 2019 den Ausgleich mit Iran zu suchen, wobei ihm ab Ende 2022 China behilflich war. An diesem Kurs hält Riad bislang trotz aller Erschütterungen in Nah- und Mittelost fest – erfolgreich, wie sich jetzt zeigt: Trump, gewaltige US-Investitionen auf der Arabischen Halbinsel fest im Blick, schwenkt auf ihn ein. Im April berichtete die New York Times, die US-Regierung habe Israel einen für Mai geplanten Angriff auf Irans Atomanlagen untersagt. Gespräche, die Trump in den vergangenen Tagen am Golf führte, drehten sich immer wieder auch um ein neues Atomabkommen mit Teheran. Zuletzt hieß es, eine Einigung sei in Reichweite – Iran gebe sein hochangereichertes Uran ab, dafür würden sämtliche US-Sanktionen aufgehoben. Einen Nichtangriffspakt mit den Ansarollah hat Trump bekanntlich bereits geschlossen.
Abkehr verhindern
Dabei überraschte der Pakt vor allem in einer Hinsicht: Er bezog sich ausschließlich auf die Zusage, künftig keine US-Schiffe mehr zu attackieren. Angriffe auf Israel untersagt er nicht – und tatsächlich greifen die Ansarollah israelische Ziele auch weiterhin an. Das ist nicht der einzige Schritt, der Trump von der Regierung in Jerusalem übelgenommen wird. Auch das Veto gegen Angriffe auf iranische Atomanlagen kam bei ihr nicht gut an. Und weshalb lässt sich der große Verbündete, wenn er schon mal in die Region reist, ausgerechnet in Israel nicht blicken, verspricht aber Katar, das Hardliner als Hamas-nah attackieren, milliardenschwere Waffenlieferungen? Trumps zentrales Zugeständnis an Premierminister Benjamin Netanjahu besteht wohl weiter darin, ihm grünes Licht für die komplette Zerstörung des Gazastreifens und die Massendeportation der Palästinenser zu geben; jedenfalls bekräftigte er bei seinem Aufenthalt in Katar am Donnerstag, Gaza solle eine »Freiheitszone« werden. Dass er zugleich Syriens neuen islamistischen Machthaber Ahmed Al-Scharaa traf und die US-Sanktionen gegen das Land aufhob, hat in Israel allerdings wiederum wütende Reaktionen ausgelöst. Für Saudi-Arabien hingegen, das das Treffen organisierte, ist der Schritt wichtig: Es ist bemüht, Syrien unter seinem Einfluss wiederaufzubauen – in rivalisierender Kooperation mit der Türkei – und so seine regionale Machtposition zu stärken.
Ob Trumps großer Plan aufgeht? Nun, man wird sehen. Widersprüche gibt es im Nahen und Mittleren Osten bekanntlich zuhauf; ob man sie mit US-Dollars zukleistern kann – wer weiß. Verkompliziert wird das Ganze noch dadurch, dass die Vereinigten Staaten nicht mehr die Dominanz in der Region haben, die sie vor nicht allzu langer Zeit noch besaßen. Die Emirate sind mittlerweile Mitglied der BRICS; Saudi-Arabien steht ihnen nahe, wenngleich es – vielleicht mit Blick auf die erhofften US-Waffenlieferungen – seinen möglichen Beitritt bis heute nicht vollzogen hat. Vor allem ist Chinas Einfluss auf der Arabischen Halbinsel in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Erst Ende April etwa schloss Saudi-Arabien zwei Milliardengeschäfte mit chinesischen Konzernen ab. Das sei wohl auch als Geste an Beijing zu verstehen, trotz aller Geschäfte mit den USA auch weiterhin gute Beziehungen zu China unterhalten zu wollen, kommentierte das Onlineportal Al Monitor: Riad habe mittlerweile gelernt, es sei besser, sich nicht in einseitige Abhängigkeit von den USA zu begeben.
Not amused
Last but not least: Trump hat sich im Verlauf seiner Reise Ärger in seiner eigenen Kapitalistenklasse eingehandelt. Ist es wirklich schlau, die Arabische Halbinsel zu einem KI-Zentrum auszubauen, das die eigenen dereinst in den Schatten stellen könnte? Manche sagen: nein; Widerstand zeichnet sich ab. Und: Trump lässt sich als Gegenleistung nicht bloß einen 400-Millionen-Jet aus Katar schenken; Finanziers aus den Golfstaaten haben in den vergangenen Monaten Milliardensummen in Unternehmen investiert, die Trump oder seinem Familienclan gehören – von seinen Söhnen Eric und Donald bis zu Schwiegersohn Jared Kushner. Eine derart einseitige Bereicherung seiner Konkurrenten sieht kein Kapitalist gern.
Hintergrund: Punktgewinn für China
Nein, sie war kein ökonomischer Friedensschluss, die vorläufige Einigung im US-Zollkrieg gegen China, die die beiden Delegationen um US-Finanzminister Scott Bessent und um den chinesischen Vizeministerpräsidenten He Lifeng am Montag in Genf besiegelten. Die umfassende Zollsenkung auf 30 (USA) beziehungsweise zehn (China) Prozent gilt zunächst nur für 90 Tage, ist also lediglich eine Art Waffenstillstand. Zugegeben – manches spricht dafür, dass er hält. Donald Trumps Zollpolitik hatte in den USA jüngst nicht nur zu den ersten Entlassungen bei vom Chinageschäft abhängigen Mittelständlern geführt. Einzelhändler warnten zudem vor leeren Regalen und stark steigenden Preisen. Vor allem aber drohten die Exportkontrollen, die Beijing bei sieben Metallen eingeführt hatte, zu Produktionsstopps in der US-Hightech- und vor allem auch -Rüstungsindustrie zu führen.
Die Volksrepublik hat Washington also in der ersten Runde des Zollkrieges zum Nachgeben gezwungen und einen ersten Punktgewinn erzielt. Der wurde in Kommentaren entsprechend gefeiert; Präsident Xi Jinping konstatierte: »Mobbing und Hegemoniestreben führen nur dazu, dass man sich selbst isoliert.« Und doch wird der US-Machtkampf gegen China weitergehen. Die US-Regierung habe »die Grenzen ihres Spiels mit der Zollkarte erkannt«, stellte der Direktor des Center for American Studies an der Fudan-Universität in Shanghai, Wu Xinbo, im Gespräch mit dem Wall Street Journal fest. Sie werde sich zukünftig also wohl anderer Mittel bedienen: einer noch höheren Zahl an Sanktionen gegen chinesische Unternehmen etwa, einer stärkeren Kooperation mit Taiwan. »Darauf«, warnte Wu trocken, »muss sich China vorbereiten.« (jk)
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