»Wir stehen hinter unserer Kritik«
Interview: Marc Bebenroth
Das linke Projekt Red Media sieht sich seit Monaten einer Kampagne ausgesetzt. Wer hat es auf Sie abgesehen?
Federführend sind Leitmedien wie zum Beispiel Tagesspiegel oder Taz. Unser Büro ist in Istanbul, und wir berichten aufgrund des Netzwerks, das wir haben, von überall auf der Welt. Aber denen geht es hauptsächlich um unsere Palästina-Berichterstattung. Das andere ist unser Ansatz, aus einer offen sozialistischen, humanistischen und antifaschistischen Perspektive heraus zu berichten.
Wie finanziert sich Ihr Projekt?
Zu Beginn hatte ich investiert, und es gab größere Spenden. Dann kam ein Teil durch Werbeeinnahmen auf Plattformen wie Youtube oder Instagram rein. Damit war Schluss, als wir dort gesperrt worden sind. Heute finanzieren wir uns vor allem durch freiwillige Publikumsbeiträge.
Was ist gegen Sie und Red Media vorgebracht worden?
Wiederholt wurde behauptet, Red Media sei ein russisches Propagandaoutlet, weil ich früher bei »Redfish« tätig war, ein von der russischen Nachrichtenagentur Ruptly finanziertes Medienunternehmen. Außerdem wurden wir vermutlich von Taz beziehungsweise deren Autor Nicholas Potter angezeigt wegen mutmaßlicher Diffamierung, nachdem wir in sozialen Netzwerken den beruflichen Werdegang Potters veröffentlicht hatten.
Warum haben Sie den verbreitet?
Weil er einige Zeit davor, während ein Genozid gegen die Palästinenser stattfindet, bei der Jerusalem Post ein Praktikum angefangen hat – ein Sprachrohr des israelischen Staates. Die Informationen stammen von Potters Website oder von Stellen, für die er arbeitet oder gearbeitet hat, und enthalten keine falschen Fakten – anders als uns vorgeworfen wird. Wir stehen hinter der Kritik an Potters Arbeit und der anderer Medienvertreter, die Israels Massenmord in Palästina legitimiert. Entgegen den Behauptungen ist diese Kritik keine koordinierte Kampagne unsererseits. Da wir zu gut wissen, was so etwas bedeutet, distanzieren wir uns von Drohungen, Beleidigungen oder Diffamierungen gegen Journalisten.
Aktuell wird uns übrigens unterstellt, die palästinasolidarische Raumbesetzung an der Berliner Humboldt-Uni im April womöglich mitorganisiert zu haben. Als »Beweis« dafür wird vom Tagesspiegel angeführt, dass wir zu den wenigen Outlets zählen, die aus dem Hörsaal oder dem besetzten Gebäude berichten konnten.
War es unmöglich für andere, zu berichten?
Ja und nein: Wir und ein paar andere Journalisten hatten vorab einen Tip bekommen. Die Aktivisten hatten offenbar Vertrauen in uns. Was wir nicht wussten: Nach einer bestimmten Zeit wurden die Eingänge geschlossen, damit die Polizei nicht so leicht rein kann.
Haben Sie rechtliche Schritte eingeleitet?
Unser Anwalt hat Akteneinsicht eingefordert. Auf die warten wir, um gegebenenfalls rechtliche Schritte einleiten zu können – gegen Gewerkschaftsvertreter, Zeitungen sowie »Reporter ohne Grenzen«, die uns unterstellen, wir seien prorussisch oder gar vom Kreml gesteuert. Bis heute haben die Gerichte aber weder in unseren Eilverfahren noch zu Unterlassungsklagen entschieden.
Sind Sie mit den Medien ins Gespräch gekommen?
Wir haben »Reporter ohne Grenzen« schriftlich angefragt, auf welchen Beweisen ihre Darstellung basiert, wonach wir hinter einer Drohkampagne gegen Nicholas Potter stecken, und wie sie darauf kommen, dass wir russisch seien. Uns wurde bis heute nicht geantwortet.
Wie deuten Sie das alles?
Es geht um eine Strategie der deutschen Medien, aber auch der Politik, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. Behauptungen werden aufgestellt und in der eigenen Blase wiederholt. So hat der Tagesspiegel über unseren Post zu Potters Werdegang berichtet, und kaum einen Tag später schaltete sich Verdi-Sekretär Jörg Reichel ein. Er sprach von einer Kampagne gegen den Taz-Autor. Dies wurde so oft wiederholt, bis quasi feststand: »Red Media steckt dahinter.« Dasselbe mit dem Russland-Label: Der Tagesspiegel behauptete das, und der damalige US-Außenminister Tony Blinken sagte, wir seien »laut Tagesspiegel-Recherchen« ein russisches Medium. Daraufhin bediente sich das Blatt der Aussage als Beleg für die eigene Behauptung.
Hüseyin Doğru ist Geschäftsführer der AFA Medya A. S. mit Sitz in Istanbul, die für Red Media verantwortlich ist
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