Femizid live
Von Carmela Negrete
Es soll der Exfreund gewesen sein, der Valeria Márquez, eine 23jährige Influencerin, am Dienstag während eines Tik-Tok-Livestreams erschossen hat. Der Täter feuerte mit einer Pistole durch das Fenster ihres Kosmetikstudios im Bundesstaat Jalisco. Anschließend floh er mit dem Motorrad – eine Vorgehensweise, die bei Femiziden in Mexiko häufig vorkommt. Die Behörden vermuten, das Motiv war Eifersucht.
Das Land kämpft seit Jahrzehnten mit erschreckend hohen Zahlen bei Morden ebenso wie bei geschlechtsspezifischer Gewalt. Dennoch seien die Mordfälle insgesamt in den vergangenen sechs Monaten um ein Viertel zurückgegangen, teilte Präsidentin Claudia Sheinbaum vergangene Woche auf der täglichen Pressekonferenz »Mañaneras« mit. 2024 gab es demnach rund 70 Morde pro Tag. Und im ganzen Jahr wurden 788 Frauen getötet, hundert weniger als 2023.
Seit Ende 2024 registriert Mexiko Tötungen von Frauen offiziell als Femizide. Sheinbaum betonte, dass das auch dazu beitragen solle, die Morde besser aufzuklären und zu bekämpfen – indem das Problem zunächst klar benannt wird. Seit der Gesetzesänderung wird zudem bei jedem Femizid von einer besonderen Schwere der Tat ausgegangen, da immer ein geschlechtsspezifischer Zusammenhang bestehe. »Null Straflosigkeit«, hat Sheinbaum betont, was ihrer Politik von Anfang an einen feministischen Anstrich verliehen hat.
Nach staatlichen Angaben wurden zwischen 2015 und 2025 insgesamt 8.571 Femizide verübt. Seit 2021 werden mehr Verurteilungen gezählt, weil Fälle vergangener Jahre vor Gericht kommen – ein Hinweis darauf, dass in den vergangenen fünf Jahren die Aufklärungs- und Verurteilungsrate gestiegen ist. Außerdem kommt es stetig zu mehr Gerichtsurteilen, die die Täter wegen Mordes schuldig sprechen. Der Staat erkennt auch immer mehr Opfer von Femiziden an: Am Mittwoch urteilte der Oberste Gerichtshof, dass eine Frau Recht auf Entschädigung hat, weil ihre Mutter 2015 Opfer eines Femizids wurde.
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