Rotlicht: Snapback
Von Knut Mellenthin
Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi hat am Montag, nicht zum ersten Mal, die Regierungen Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens – zusammenfassend E3 genannt – davor gewarnt, den sogenannten Snapback-Mechanismus gegen sein Land anzuwenden. Das würde »Folgen« haben, postete er auf der Plattform X: »Nicht nur das Ende der Rolle Europas« innerhalb des 2015 unterzeichneten Wiener Abkommens (JCPOA), »sondern auch eine Eskalation der Spannungen, die unumkehrbar werden könnte«. »Wie wir in diesem entscheidenden Moment reagieren, wird die künftigen Beziehungen zwischen Iran und Europa weit tiefgreifender bestimmen, als vielen bewusst ist.«
Dass die E3-Staaten den »Snapback-Mechanismus« demnächst zum Einsatz bringen, ist trotz dieser Warnung sehr wahrscheinlich. Das könnte schon im August, im Juli oder sogar noch früher geschehen, denn viel Zeit bleibt ihnen nicht mehr: Am 18. Oktober erlischt diese Option, und um sie noch zu nutzen, müssten die E3 das Verfahren mindestens einen Monat vorher in Gang bringen.
Man wird das Wort »Snapback« in nächster Zeit also vermehrt lesen und hören. Aber was ist damit gemeint? Selbsterklärend ist der Begriff jedenfalls nicht. Unter anderem bezeichnet das Wort eine Kappe, wie sie auch US-Präsident Donald Trump oft trägt und die hinten mit einem Druckknopf geschlossen wird. Im American Football kann es für eine Ballrückgabe stehen und allgemein gesprochen für eine Rückwendung oder einen Rückfall. In der internationalen Diplomatie gab es einen derartigen Mechanismus bisher nicht.
Die Klausel bezieht sich nicht direkt auf das Wiener Abkommen, sondern auf die Resolution 2231 des UN-Sicherheitsrats, die am 20. Juli 2015, sechs Tage nach Unterzeichnung des JCPOA, verabschiedet wurde. Paragraph 7 dieser Resolution sieht vor, dass alle von diesem Gremium gegen Iran beschlossenen Verbote und Sanktionen sofort außer Kraft treten. Teilweise wurden diese durch neue Bestimmungen ersetzt, die aber zeitlich befristet waren. So lief zum Beispiel das Waffenembargo gegen die Islamische Republik am 18. Oktober 2020 ab, und die Beschränkungen für Irans ballistische Raketen endeten am 18. Oktober 2023.
Der in den Paragraphen 11 und 12 der Resolution 2231 dargestellte »Snapback-Mechanismus« ermöglicht es aber den Partnern des Wiener Abkommens, soweit sie Vetorecht im Sicherheitsrat haben, also praktisch allen mit der einzigen Ausnahme der BRD, die Reaktivierung aller 2015 suspendierten Sanktionen gegen Iran zu erzwingen. Dieser Schritt erfolgt, wenn er durch eine entsprechende Mitteilung eingeleitet wird, »automatisch«: Über die Gründe muss nicht diskutiert werden, und eine Ablehnung ist nicht möglich.
Die US-Regierung versuchte erstmals im August 2020, kurz vor Ablauf des Waffenembargos, sich auf die »Snapback-Klausel« zu berufen. Damals schlossen sich aber sogar die E3 der Argumentation Chinas und Russlands an, dass die USA kein Partner des Abkommens mehr waren, nachdem Trump dieses am 8. Mai 2018 aufgekündigt hatte. Damit sei auch das Recht Washingtons entfallen, den »Snapback-Mechanismus« einzusetzen. Die Mitteilung der US-Regierung am 16. September 2020, alle Sanktionen des Sicherheitsrates seien wieder in Kraft und Verstöße dritter Staaten dagegen würden bestraft, entfaltete in der Praxis keine Wirkung.
Seither ist unstrittig, dass der Westen den »Snapback-Mechanismus« nur über die E3 nutzen könnte. Frankreich, Deutschland und Großbritannien haben dem UN-Generalsekretär im Dezember 2024 mitgeteilt, dass sie »nötigenfalls« dazu bereit wären. Viel erreichen würden sie damit nicht: Russland würde ein Wiederinkrafttreten der Sicherheitsratsresolutionen definitiv, China mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mittragen. Außerdem beziehen sich diese nur auf Waffen und Bestandteile des iranischen Atomprogramms, nicht aber auf seine Wirtschaft, wie etwa den Erdölexport.
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