Ungerechte Löhne zurück in Neuseeland
Von Thomas Berger
Das ging ungewöhnlich schnell auf der parlamentarischen Bühne von Wellington: Lediglich etwas mehr als einen Tag Debatte, dann war am 7. Mai eine von vielen Neuseeländern bekämpfte Gesetzesänderung durch. Künftig sollen Ansprüche auf gleichberechtigte Entlohnung deutlich eingedämmt werden. Die konservative Regierungsmehrheit hat diese Möglichkeit durchgedrückt. Von ungewohnter Eile sprach in einem Beitrag etwa Stuff, größtes Nachrichtenportal des Landes, dessen Eigentümer auch neun Tageszeitungen gehören. Unter anderem Dame Judy McGregor, von 2003 bis 2013 als erste Equal Employment Opportunities Commissioner vom Fach, sieht demnach in der Änderung eine direkte Menschenrechtsverletzung.
Und McGregor steht mit ihrer harten Kritik nicht allein. Am Wochenende hatte es eine zweite Welle öffentlicher Proteste gegeben. In Nelson wurden rund 1.500 Teilnehmende gezählt. Anna Heinz von der Primary Teachers’ Association, zitiert in lokalen Medien: »Alte, Junge, Frauen, Männer, verschiedenste Sektoren der Gesellschaft« seien mobilisiert worden. Angeprangert wurde nicht nur bei dieser Aktion die »Arroganz« und »Dummheit« der so hastig durchs Parlament gebrachten Entscheidung. Dass in diesem Fall die Lehrkräftevereinigung eine der treibenden Kräfte war, ist kein Zufall. Denn der Streit um markante Unterschiede in der Entlohnung zwischen den Geschlechtern fokussiert sich stark auf Berufe im Bildungssektor und im sozialen Bereich, von Pflegekräften bis zu den Schulen. Frauen sind traditionell stark vertreten, im Vergleich aber eher unterbezahlt. Anna Heinz stellte gegenüber Radio New Zealand (RNZ) heraus, welche historische Leistung das nun teilweise ausgehebelte Gesetz von 1972 gewesen sei, das erstmals in der Landesgeschichte die eher mageren Löhne mit den weit besseren Einkommen in traditionell männerdominierten Berufen in direkten Vergleich gesetzt habe. »Jetzt hat man einem der besten Gesetze das Herz herausgerissen«, das mache sie extrem wütend.
Arbeitsministerin Brooke van Velden verteidigte die primär von ihr zu verantwortende Initiative zur Änderung. Es gehe der Regierung darum, eine »zu lockere Auslegung« der Gleichheitsvorgaben zurückzudrehen und so Geld für die Staatskasse zu sichern. Durch bisherige Verfahren sei sie jährlich mit Mehrausgaben von 1,78 Milliarden Neuseeland-Dollar (rund 940 Millionen Euro) belastet. Zuletzt hatten sich unter anderem die Krankenschwestern, die Anfang Dezember 2024 landesweit streikten, auf das bisherige Gesetz berufen. Auch bei Protesten im Februar von Altenpflegekräften spielte das Thema eine Rolle. 33 laufende Verfahren für gleichberechtigte Entlohnung wurden nun ausgesetzt, neue Klagen werden mit der Änderung deutlich erschwert. Unmittelbar betroffen sollen an die 150.000 weibliche Beschäftigte sein. In einer Erklärung am Montag stellte sich Premier Christopher Luxon ausdrücklich vor seine Ministerin.
Dass aber normale parlamentarische Prozesse negiert werden, die auch Möglichkeiten kritischer Stellungnahmen aus der Öffentlichkeit einschließen, sei kein Einzelfall, stellte 1 News heraus. Dass dies immer häufiger vorkomme, kritisieren selbst einige Konservative wie der bekannte Politkommentator David Farrar. Regelrecht aufgebracht zeigte sich der sozialdemokratische Oppositionsführer Chris Hipkins am Dienstag in der Hauptstadt Wellington bei einem Auftritt in der Handelskammer. Es sei nicht das erste progressive Gesetz, das die Koalition schleife, erinnerte er an die schon 2024 erfolgte Rücknahme, Neuseeland als ersten Staat schrittweise rauchfrei zu machen.
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