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Aus: Ausgabe vom 14.05.2025, Seite 8 / Ansichten

Ein Neubeginn

Auflösung der Arbeiterpartei Kurdistans PKK
Von Nick Brauns
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Flagge mit dem Bild des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan auf einem Newrozfest in Istanbul am 23. März 2025

Die am Montag verkündeten Entscheidungen der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, ihren bewaffneten Kampf zu beenden und sich aufzulösen, wurden in der Türkei und international nahezu einhellig begrüßt. Dieser Beschluss ändere allerdings nichts an der Einstufung der PKK als terroristisch, stellte die Bundesregierung klar. Noch am Montag wurde ein Kurde in Stuttgart wegen PKK-Mitgliedschaft zu Haft verurteilt. Für die Herrschenden in Ankara, Washington und Berlin bedeutet die Selbstauflösung der PKK die Beseitigung eines Störfaktors bei ihren Ordnungsplänen im Nahen Osten.

Angestoßen hatte den Friedensprozess zusammen mit dem inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan ausgerechnet der türkische Faschistenführer Devlet Bahçeli, der mit Blick auf die rasanten Veränderungen in der Nahostregion und den Hegemoniekampf mit Israel eine Achillesferse der Türkei zu beseitigen hofft. Demonstrativ bekennt sich die PKK in ihrer Erklärung zu den unter dem Galgen getätigten Worten von Deniz Gezmiş, dem 1972 in Ankara hingerichteten Idol der antiimperialistischen Linken: »Es lebe die Brüderlichkeit des türkischen und des kurdischen Volkes und die vollständig unabhängige Türkei.« Richtig erscheint allerdings auch die Warnung des wie Gezmiş aus der türkischen 68er Studentenbewegung kommenden, 1973 im Militärgefängnis von Diyarbakır ermordeten Kommunisten İbrahim Kaypakkaya: Die Rede von der Brüderlichkeit der Völker bleibt eine bürgerlich-liberale Täuschung, solange es keine vollständige rechtliche Gleichheit gibt.

Zur Umsetzung ihrer Entscheidungen bedürfe es nun der Anerkennung des Rechts auf demokratische Politik und umfassende rechtliche Garantien, hat die PKK deutlich gemacht. Der Ball liegt damit beim türkischen Staat. Während eine tatsächliche Demokratisierung durch die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seinem Allianzpartner Bahçeli illusorisch ist, erscheinen Verfassungsänderungen zur Absicherung des Status der Kurden und deren Sprache möglich. Innerhalb der Türkei gab es schon seit Jahren kaum noch Aktionen der in den Nordirak zurückgezogenen Guerilla. Mit dem Ende des bewaffneten Kampfes entfiele die offizielle Rechtfertigung, die zivile kurdische Bewegung mit Repression im Namen der Terrorbekämpfung zu überziehen und ihre Bürgermeister abzusetzen.

In ihrer Auflösungserklärung ruft die PKK das kurdische Volk dazu auf, in allen Lebensbereichen demokratische Selbstorganisationen zu bilden. Aufnahmen vom Parteikongress im nordirakischen Bergland zeigen PKK-Mitglieder beim Schwur, den Kampf für Sozialismus und Frauenbefreiung fortzusetzen. Die ideologisch geschulten Guerillakämpfer stehen ebenso wie Tausende auf eine Amnestie hoffende politische Gefangene in der Türkei als Kader für einen solchen Prozess bereit. Die PKK als Guerillapartei könnte bald Geschichte sein. Doch für die kurdische Befreiungsbewegung ist es ein Neuanfang.

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