Lochfraß durch Erdflöhe
Von Oliver Rast
Sie müssen nicht lange suchen, ein, zwei Blicke reichen: »Da sitzt einer, da noch einer, da zwei aufeinander«, sagen zwei Landwirte aus dem oberbayerischen Landkreis Freising, als sie ihre Felder mit den frischen Hopfentrieben begutachten. Ein Rundgang eines geplagten Bauernduos, extra für die Sendung »Unser Land«, die der Bayerische Rundfunk (BR) am Montag online veröffentlichte.
Und die, die da sitzen, sitzen nicht nur paarungswillig herum. Sie fressen, fast nonstop. Hopfenerdflöhe. Blattkäfer sind das, keine Flöhe, wie der Name vermuten lässt. Die bis zu 2,8 Millimeter langen schwarzen, metallisch grünlich, manchmal auch bronzefarben glänzenden »Schädlinge« befallen im Frühjahr die meist herzförmigen Hopfenblätter mit ihren gezahnten Rändern und ihren leicht behaarten Unterseiten. Die rundlich ovalen Käfer durchlöchern das Blattgewebe, skelettieren es förmlich. Erwartbare Folge: Ernteausfall.
Erwartbar, auch unabwendbar? Zunächst: Die Anzahl angebotener Pflanzenschutzmittel steigt, die Vielfalt an Wirkstoffen sinkt. Ein Problem, besonders bei sogenannten Sonderkulturen, etwa bei Wein, Obst, Gemüse, Kartoffeln und eben Hopfen, so der BR in seinem Begleittext zum Beitrag. Das Problem-Problem für Hopfenbauern: Nur noch ein Wirkstoff ist gegen den Erntevernichter zugelassen. Ein Insektizid, das im Frühjahr versprüht wird »und den Käfer direkt erwischen muss«. Was nicht immer gelingt. Ferner ist der Wirkstoff Jahre alt. Zeit genug für den Hopfenerdfloh, resistent zu werden, sich rasant zu vermehren.
Abhilfe schaffen bisweilen Notfallzulassungen für aus dem Verkehr gezogene Mittel. »Wir haben sechs Hauptschaderreger und leider ist es so, dass wir mittlerweile bei fünf davon Notfallzulassungen für Pestizide stellen – und das jährlich«, wurde Simon Euringer von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) im BR-Beitrag zitiert.
Noch drastischer trifft es den ökologischen Hopfenanbau. Biobauern sprühen Gesteinsmehle auf die Blätter. Eine Maßnahme, die nach jedem Regen wiederholt werden muss. Aber die Entwicklung einer effektiven Bekämpfungsmethode sei auch für den konventionellen Hopfenanbau von großer Bedeutung, »da möglicherweise eines Tages zur Erdflohbekämpfung kein wirksames Insektizid mehr zur Verfügung stehen wird«, unkt das LfL auf seiner Page.
Die Wirkstoffknappheit ist nicht nur beim Hopfenanbau akut. Seit 2019 wurde in Europa kein Pflanzenschutzmittelwirkstoff mehr zugelassen. Statt dessen sind 76 »Schädlingsvernichter« aus der Agrarchemie vom Markt verschwunden, weiß der BR. Der Grund: Die Zulassungsvoraussetzungen sind strenger, teurer und langwieriger geworden. Hinzu kommt, dass es sich für Hersteller finanziell kaum noch lohnt, Mittel für Sonderkulturen mit vergleichsweise wenig Anbaufläche zu entwickeln. Etwaige neue Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln werden EU-weit erlaubt. Auffallend ist: »Die Antragszahlen zeigen, dass Firmen bereits seit einiger Zeit Deutschland als erstzulassenden Mitgliedstaat meiden und eher den Weg über die gegenseitige Anerkennung gehen«, erklärte die federführende deutsche Zulassungsbehörde Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gegenüber dem Sender.
Apropos knappe Pestizide, Herbizide, Insektizide. Das rare Gut lockt Langfinger. Allein in Mecklenburg-Vorpommern registrierte das Landeskriminalamt (LKA) bis Anfang Mai 17 Delikte mit einer Schadenssumme von zirka 775.000 Euro, berichtete dpa am Montag. Umherschweifende Klauböcke entwendeten die landwirtschaftlichen Betriebsmittel auf Höfen oder in Lager- und Vertriebsstätten – beispielsweise in Ducherow, Teterow, Dersekow und nun in Moltzow. Ein Rekord, zum Vergleich: Im vergangenen Jahr hatte die Polizei nur vier entsprechende Diebstähle mit einem Gesamtschaden von rund 130.000 Euro erfasst.
Die Hopfenbauern aus Oberbayern werden bislang nur durch »natürliche Dieberei« gefräßiger Erdflöhe geplagt. Mit der mobilen Pflanzenschutzspritze am Trecker geht es aufs Feld, den Lochfraß an den Hopfenpflanzen bekämpfen.
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