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Aus: Ausgabe vom 10.05.2025, Seite 8 / Abgeschrieben

Rechtswidrige Praxis gegenüber Geflüchteten

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Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e. V. verurteilte am Freitag die seit Inkrafttreten des »Sicherheitspakets« am 31. Oktober 2024 geltende Praxis, Geflüchteten im Dublin-Verfahren sämtliche Unterstützungsleistungen zu entziehen:

Auch wenn es vom Innenministerium noch keinen Erlass zur Anwendung der neuen Rechtslage an die Kommunen gibt, machen einige Regionen schon eifrig davon Gebrauch – mit verheerenden Folgen für die Betroffenen, wie zwei Fallbeispiele zeigen:

Fall 1: Familie in Dessau

Einer syrischen Familie, der die Abschiebung nach Kroatien droht, werden komplett die Leistungen gestrichen. Sie werden nach der Androhung zwar nicht auf die Straße gesetzt, sollen aber für das Zimmer in der Unterkunft mehr als 600 Euro monatlich zahlen. »Wir dachten, in Deutschland gelten Menschenrechte für Geflüchtete«, so die fassungslosen Eltern.

Fall 2: Alleinerziehende Mutter

Ebenfalls in Dessau versuchten fünf Behördenmitarbeiter die Tür zu einer alleinerziehenden Mutter von drei Kindern zu öffnen. Auch ihr waren vorher die Leistungen nach dem neuen und umstrittenen Paragraph 1 Abs. 4 des Asylbewerberleistungsgesetz gestrichen worden. Im Rahmen der Dublin-Verordnung droht auch dieser Familie die Abschiebung. Trotz anhängiger Klage wurde die Räumung für Ende April angedroht. Auf die Frage nach einer Alternative hieß es nur: »Verlassen Sie Deutschland.« Der Vorfall löste bei einem Kind großen Stress und Nasenbluten aus – die Mutter fürchtet nun eine Retraumatisierung des Kindes und verließ aus Angst vor einer Räumung die Unterkunft. Nachdem Sie das Zimmer verlassen hatte, behaupteten die Behörden, die obdachlose Familie sei untergetaucht. Die Ausländerbehörde beantragte ihre Fahndung bei der Polizei, und das Sozialamt verweigerte eine erneute Unterbringung nach Vorsprache.

Beide Familien haben Klage beim Sozialgericht eingereicht. (…)

»Die aktuelle Praxis ist nicht nur rechtswidrig, sondern zutiefst unmenschlich. Familien sind von Obdachlosigkeit bedroht und zusätzlichen massiven Stress ausgesetzt. Die Landesregierung und alle Behörden müssen menschenrechtliche, verfassungsrechtliche und europarechtliche Vorgaben beachten«, so Martina Fuchs, Sprecherin des Flüchtlingsrats.

Die Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) richtete am Freitag zum Internationalen Tag der Pflegenden am 12. Mai einen Appell an die neue Bundesregierung:

Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft, erklärt: »Pflege in Deutschland braucht jetzt die engagierte Umsetzung konkreter Lösungsvorschläge. Die Begrenzung der Zeitarbeit und der Abbau bürokratischer Hürden gehören zu den Aufgaben, die mit hoher Priorität anzugehen sind. (…)«

Das Forderungspapier »Pflegestärkung braucht konkrete Maßnahmen« der BKG-Kampagne »Pflege Jetzt Berlin« richtet sich an die neue Bundesregierung und benennt sechs zentrale Handlungsfelder, die sofort angegangen werden müssen, unter anderem:

(…) Der zunehmende Einsatz von Zeitarbeit verschärft den Fachkräftemangel, destabilisiert Pflegeteams und verursacht massive Mehrkosten – auf Kosten der Versorgung und des Stammpersonals. Der von der BKG entwickelte Musterrahmenvertrag zur Arbeitnehmerüberlassung bietet faire, transparente Standards für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen – und sollte gesetzlich verankert werden. (…)

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