In den Startlöchern
Von Marc Bebenroth
Die Hofberichterstatter mussten sich lange gedulden, ehe aus dem Willy-Brandt-Haus in Berlin die offizielle Namensliste zur Vergabe der verbleibenden Regierungsposten vorgelegt wurde. Als Steigbügelhalter des CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz kann die SPD immerhin sieben Kabinettsstühle besetzen – gerade noch rechtzeitig für die Zeremonie namens Kanzlerwahl an diesem Dienstag im Bundestag. Mit insgesamt vier Frauen und drei Männern wartet der Juniorpartner auf, die fortan ein Ministeramt bekleiden sollen.
Kaum waren deren Namen und Zuständigkeiten verkündet, setzten die Spitzenvertreter von CDU, CSU und SPD am Montag im Berliner Gasometer ihre Unterschriften unter den Koalitionsvertrag. Dieser biete »Anlass zu Optimismus«, freute sich CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident Markus Söder. Auch Merz demonstrierte Zuversicht, »dass es uns gelingt, ab morgen unser Land kraftvoll, planvoll, vertrauensvoll zu regieren«. Ziel sei es, »auf dem Fundament einer Industrienation die Zukunft zu gestalten«. Dazu habe die BRD »alles, was es braucht«, so dass es nun eine Regierung brauche, »die daraus etwas macht«, ergänzte Klingbeil nach der Unterzeichnung des Papiers.
Mit Blick auf den endgültig abgeschlossenen Koalitionsvertrag warf der Linke-Vorsitzende Jan van Aken den drei Parteien vor, darin im Bereich Sozial- und Migrationspolitik »ganz offen Rechtsbruch« anzukündigen. So sei geplant, Asylsuchende an den Grenzen der BRD abzuweisen, und angedroht, bei mehrfacher Ablehnung von Jobangeboten durch die Behörden, Menschen das Bürgergeld mitunter vollständig zu streichen. Beides sei rechtlich nicht möglich, sagte van Aken und sprach von »Sündenbockpolitik«.
Wie erwartet hat Boris »Kriegstauglichkeit« Pistorius das Personalkarussell überstanden. Alle anderen nun von der SPD zu besetzenden Ministerien erhalten eine neue Leitung. An der Spitze steht der bisherige Parteivorsitzende Lars Klingbeil. Für seine Rolle bei der Regierungsbildung und seine Verbindungen im rechten Parteiflügel wird der Rüstungslobbyist mit dem Posten des Vizekanzlers und Finanzministers belohnt. Dies war bereits in der vergangenen Woche gegenüber Journalisten bestätigt worden. Hubertus Heil soll an der Spitze des Arbeitsministeriums von der bisherigen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas abgelöst werden.
Die zuletzt als Integrationsbeauftragte der Ampelkoalition tätige Reem Alabali-Radovan wird zur Leiterin des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung befördert. Ebenfalls mit einem Regierungsamt belohnt wird der Thüringer Carsten Schneider, der zuletzt als Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland unterwegs war. Er soll Umweltminister werden. Umsatteln muss auch die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig, die künftig für die SPD das Justizministerium leiten soll. Das für die Förderung der Bauindustrie zuständige Ministerium soll künftig die Koch-App-Kapitalistin und SPD-Fraktionsvize Verena Hubertz verwalten.
Klingbeils alten Stuhl in der SPD-Fraktion soll der als »Parteilinker« geltende Generalsekretär Matthias Miersch aus Niedersachsen übernehmen. Darauf habe sich der designierte Vizekanzler mit den Parteiflügeln verständigt, wie die dpa am Montag aus Fraktionskreisen erfuhr. Offiziell soll der Fraktionsvorstand am Mittwoch neu gewählt werden. Parlamentarischer Geschäftsführer soll demnach der »Seeheimer«-Sprecher Dirk Wiese werden.
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