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Aus: Ausgabe vom 03.05.2025, Seite 2 / Inland
Palästina-Solidarität

»Er sieht sie im Dienst der Außenpolitik«

Köln: Palästinasolidarische Studenten protestieren gegen »Schikane« durch Unirektor. Ein Gespräch mit Alberto Márquez Kempff
Interview: Max Grigutsch
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Eine symbolische Zeltaktion für die einen, Nötigung und Hausfriedensbruch für die anderen (Köln, 8.5.2024)

Sie beanstanden, dass palästinasolidarische Studenten an der Universität zu Köln von der Unileitung schikaniert werden. Worum geht es?

Im Sommer 2024 fand eine symbolische Protestaktion vor der Uni statt, die gemeinhin als Blockade bekannt ist. Real sah das so aus, dass sich ein paar Leute mit Zelten vor den Haupteingang der Uni gesetzt hatten. Es gab aber andere Eingänge. Gefordert wurde ein Gespräch mit dem Rektor, weil die Uni in diversen Stellungnahmen verdeutlicht hatte, dass sie an der Seite Israels steht. Kooperationen mit Israel wurden nicht aufgekündigt, der Meinungskorridor an der Uni ist sehr eng. Unsere Gruppe hatte eine öffentliche Diskussion im größeren Rahmen gefordert, darüber, welche Rolle die eigene Uni in der Rechtfertigung israelischer Kriegsverbrechen in Gaza spielt. Dem hat der Rektor nicht zugestimmt. Er wollte mit zwei Vertretern hinter verschlossenen Türen ein halbstündiges Gespräch führen. Als wir den Vorschlag verweigerten, hat die Unileitung die Polizei gerufen. Elf Leute, manche davon minderjährig, stehen jetzt vor Gericht. Ihnen werden Nötigung und Hausfriedensbruch vorgeworfen.

Was ist den Betroffenen seither widerfahren?

Eine Person wurde schon zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Richter sah den Tatbestand der Nötigung nicht erfüllt, aber den des Hausfriedensbruchs. Das ist ein Antragsdelikt, es wird nur verfolgt, wenn der Betroffene Strafantrag stellt. Das heißt, die Uni könnte den Antrag zurückziehen. Statt dessen hetzt sie den Staat auf die eigenen Studierenden. Empörend ist auch, dass kein realer Diskurs stattgefunden hat. Die Uni will die Auseinandersetzung juristisch lösen und stellt sich nicht der Diskussion.

Hinzu kommt ein extrem unehrliches Auftreten nach außen. Kürzlich äußerte die Uni in einer Kölner Zeitung, dass sie überlegt habe, die Strafanträge zurückzuziehen. Das sei aber rechtlich nicht möglich. Unserer Einschätzung nach ist das jederzeit bis zum Abschluss des Strafverfahrens möglich. Die Uni entscheidet aktiv, die Strafverfolgung weiterlaufen zu lassen, versucht in der Presse jedoch besser davonzukommen.

Wie wehren Sie sich dagegen?

Wir haben uns mit den Betroffenen kurzgeschlossen, Solidarität aufgebaut, Spenden gesammelt. Unser Wunsch wäre, dass die Uni die Strafanträge zurücknimmt und wir in den Diskurs kommen. Das würde zeigen, dass die Universität als politischer Raum ernst genommen wird: nicht einfach nur als Bildungsinstitution, wo Leute möglichst schnell durchrauschen sollen, sondern als Gemeinschaft der Studierenden und Lehrenden, die voneinander lernen.

Von der Weigerung der Unipräsidien, in den Diskurs zu gehen und ihre Strafanträge zurückzuziehen, berichten Studenten in ganz Deutschland. Sehen Sie Ihren Fall in dieser Kontinuität, oder sticht der irgendwie hervor?

Die Gemeinsamkeiten sind da. Zum Glück sind an unserer Uni – anders als in Berlin – diese wirklich brutalen Polizeieinsätze nicht an der Tagesordnung. Ein besonderer Aspekt in Köln ist, dass der Rektor der Uni, Joybrato Mukherjee, Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ist und eng mit dem Außenministerium zusammenarbeitet. Mukherjee hat diverse Papiere veröffentlicht, in denen er verdeutlicht, wie er die Uni versteht: Er sieht sie im Dienst der deutschen Außenpolitik, die gerade auf Abschottung und Blockbildung fokussiert.

Gerade in bezug auf China wird da sehr viel Panik gemacht; vor allem in den Naturwissenschaften werden etwa Bildungskooperationen abgebrochen. Das zeigt sich auch in der Thematik Israel und Palästina, wo ja keine Kooperationen beendet wurden. Das ist sehr problematisch. Die Uni sollte ein Ort für kritischen Diskurs sein, anstatt einseitig für die Regierung zu stehen. Das ordnet sich in die Kriegstüchtigmachung ein.

Wie hängt die Repression der Palästina-Bewegung mit der Militarisierung zusammen?

Palästina wird quasi zum Brennglas. Man hat hier eine Bewegung, die sich am deutlichsten in Opposition zum Staat und zur gegenwärtigen Politik stellt. Ob Palästina-, Klima- oder Antikriegsbewegung, die Repression wird verschiedene Gruppen treffen. Deswegen ist es so wichtig, dass man das jetzt skandalisiert. Mein Appell ist, diese Räume zu verteidigen und sich nicht einschüchtern zu lassen.

Alberto Márquez Kempff (Name geändert) ist Student der Universität zu Köln und aktiv beim Palästina-Camp Köln

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