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Aus: Ausgabe vom 02.05.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
AFCRA

Afrika mit eigener Ratingagentur

Afrikanische Union wird unabhängig von US-Agenturen. Neokoloniale Knebelung nicht beendet
Von Georges Hallermayer
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Der kenianische Präsident William Ruto trifft zur 38. ordentlichen Tagung der Versammlung der Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union (AU) am Sitz der AU-Kommission ein (Addis Abeba, 16.2.2025)

Wie viele Zinsen zahlen Sie, wenn Sie einen Kredit aufnehmen? Viele afrikanische Staaten müssen mit zwölf bis 15 Prozent rechnen. Die tonangebenden US-Ratingagenturen sind dem Kontinent nicht gewogen, bescheinigen ihm geringe Investitionssicherheit. Nur sei ein Fünftel ihrer Kriterien subjektiv-kulturell bestimmt, sage über ökonomische Stabilität also wenig aus, wie Macky Sall, der ehemalige Präsident der Afrikanischen Union (AU), bereits 2022 kritisierte. Darum hat die AU nach Jahren erfolglosen Bemühens um Reformen des Ratingsystems die Africa Credit Rating Agency (Afcra) gegründet. Die »unabhängige, selbstfinanzierte und selbstversorgende Agentur« nimmt im Juni ihre Arbeit auf.

2024 haben die afrikanischen Staaten laut der UN-Handels- und -Entwicklungsorganisation 89,4 Milliarden US-Dollar Zinslast getilgt. Kürzlich berechnete die Afrikanische Export-Import-Bank zudem, dass das Verhältnis von Zinslast zu Staatseinnahmen sich afrikaweit vervierfacht hat. »Drei- bis vierfach höher« seien die Kreditkosten, schätzte der scheidende Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi Adesina. Der Zollkrieg der USA droht indes die Schuldenlast noch zu verschärfen: Weniger Export drückt den Wert der eigenen Währung und mit ihm die Fähigkeit, Schulden zu tilgen und durch Subventionen Kapital anzulocken.

Seit der 2013 beschlossenen »Agenda 2063« stehe Afcra auf dem Wunschzettel Afrikas. Am 17. Februar 2025 haben die Staats- und Regierungschefs auf dem 37. Gipfel der Afrikanischen Union ihre Gründung bekanntgegeben. Begleiten soll sie der African Peer Review Mechanism (APRM), eine Gruppe von Politikern und Finanzexperten. Vergangene Woche stellte sie die Afcra auf der Frühjahrstagung von Weltbank und Weltwährungsfonds in Washington vor.

Es folgte ein Schlagabtausch mit den US-Agenturen, die ihre Methoden verteidigten. Afcra verstehe sich nicht als Konkurrenz. Ziel seien nicht günstigere Ratings, sondern Darstellung »kontextueller Daten«, die andere Agenturen ignorierten, erklärte Misheck Mutize vom APRM. Man werde sich auf Afrika fokussieren und dort genauere Indikatoren einbeziehen, darunter Staatsbetriebe und auch den informellen Sektor, der immerhin 70 bis 90 Prozent der Wirtschaftsaktivitäten repräsentiere. Keine afrikanische Regierung werde Anteile besitzen, »um politischen Einfluss oder Interessenkonflikte zu vermeiden«, bekräftigte Misheck Mutize.

Die afrikanische Ratingagentur wird die neokoloniale Zinsknechtschaft nicht brechen. Der in der westafrikanischen Sahara aufgebrochene Sturmwind gegen den französischen Kolonialherren stellt den Schuldendienst gänzlich in Frage. Die antiimperialistisch angetretene Regierung Senegals nahm die Schulden jüngst unter die Lupe. Der senegalesische Finanzgerichtshof brachte am 12. Februar umgerechnet 7,1 Milliarden Euro »versteckte Schulden« ohne parlamentarische Legitimation ans Tageslicht. Das ist mit 105,7 Prozent des Bruttosozialprodukts Senegals die höchste Verschuldung in Afrika.

Wird die senegalesische Regierung die Rückzahlung dieser womöglich veruntreuten »faulen Kredite« verweigern, wie Jeune Afrique befürchtet? Die Ratingagentur Moody’s wertete ab. Der Zins für Euro-Bonds stieg auf 15 Prozent. Der IWF fror Kredite über 1,8 Milliarden US-Dollar ein. Die Regierung musste im März regional 247 Millionen US-Dollar Schulden zum Zinssatz von rund sechs Prozent aufnehmen, um das Haushaltsdefizit zu decken. Mit einem Schuldenschnitt würde die Regierung das prognostizierte Wachstum von sechs Prozent und den Ausschluss vom internationalen Finanzmarkt wie Argentinien 2001 riskieren.

Der letzte, der nach Fidel Castro dazu aufgerufen hat, war Thomas Sankara, der erste Präsident von Burkina Faso. Er hatte die andauernde Schuldenkrise analysiert und forderte afrikanische Staaten auf, das Schuldentilgen einzustellen, um das Geld für die eigene Entwicklung aufzuwenden. Sankara zahlte dafür mit seinem Leben. Selbst Nelson Mandela zahlte die Kredite des Apartheidregimes ab, das südafrikanische Völker unterdrückt und Kriegszüge durch Angola und Rhodesien finanziert hatte. Mandelas ehrgeiziges Aufbauprogramm fußte selbst auf Krediten des IWF. Dieser verlangte den Aufschub der entschädigungslosen Enteignung weißer Kolonialherren.

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