Eisenacher Neonazis vor Gericht
Von Marc Bebenroth
Den Opfern dürfte es zunächst egal sein, ob sie von einer kriminellen oder einer terroristischen Neonazibande krankenhausreif geprügelt oder brutal ermordet werden. In der Auseinandersetzung zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaft um die Einstufung der als Kampfsportgruppe »Knockout 51« auftretenden Gruppierung konnte sich zuletzt die Anklagebehörde durchsetzen. So hat am Montag morgen der mittlerweile zweite Prozess gegen mutmaßliche »Knockout«-Mitglieder nicht vor dem Landgericht Gera, sondern infolge einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) am Oberlandesgericht in Jena begonnen. Der BGH sieht demnach einen hinreichenden Tatverdacht, dass es sich eine um terroristische Vereinigung handeln könnte. An diesem Dienstag soll die Beweisaufnahme beginnen.
Den drei Faschisten Kevin N., Marvin W. und Patrick W. wird vorgeworfen, im Rahmen gemeinsamer Trainingsveranstaltungen »junge, nationalistisch gesinnte Männer angelockt« und mit »rechtsextremen Gedankengut indoktriniert« sowie für Angriffe auf Polizei, Linke und weitere Andersdenkende ausgebildet zu haben. Seit Frühjahr 2021 sollen die Beschuldigten laut Staatsanwaltschaft die Tötung von Linken angestrebt haben.
Kevin N. ist als mutmaßlicher Anführer von »Knockout 51« angeklagt, der die Gruppierung spätestens 2019 mitgegründet haben soll. Bereits beim »Knockout«-Prozess von 2023 spielte N. eine Rolle. Zuvor tauchte sein Name laut Antifarecherchen in Ermittlungsakten gegen die faschistische Hooliganbande »Jungsturm Erfurt« um den Fußballverein Rot-Weiß Erfurt auf. N. ist offenbar in faschistischen Kampfsportkreisen gut vernetzt. Er war auch am Aufbau einer Art »Bürgerwehr« in Eisenach beteiligt, wie die »Antifaschistische Gruppen Südthüringen« (AGST) am vergangenen Donnerstag auf ihrer Internetseite berichtete. Jene Truppe sei nachts durch die Stadt gezogen und habe Privatwohnungen, die Szenekneipe »Bull’s Eye« und den NPD-Standort »Flieder Volkshaus« mit Sicherheitsvorkehrungen aufgerüstet.
Der Mitangeklagte Marvin W. soll an Kampfsport- und Schießtrainings der Gruppe teilgenommen haben und wie N. bei besagten »Kiezstreifen« dabei gewesen sein, wie AGST ausführte. Demnach zählte W. »von Beginn an« zu »Knockout 51« und soll sich »als gelernter Schweißer mit dem Bau von Teilen einer Maschinenpistole nützlich gemacht« haben.
Als Dritten im Bunde wird Patrick W., früherer Funktionär der Neonazipartei NPD/Die Heimat, vorgeworfen, bei Treffen und Schulungen von »Knockout 51« mitgearbeitet zu haben. Außerdem habe er der Gruppe Räumlichkeiten der Thüringer NPD – vermutlich im »Flieder Volkshaus« – als Waffenlager zur Verfügung gestellt. Wie das Portal »Endstation rechts« am Montag aus dem Gerichtssaal berichtete, soll W. dem im Sommer 2024 verurteilten »Knockout«-Mitglied Leon R. Zugriff auf den Computer in der NPD-Zentrale gegeben haben. Darauf seien Ermittler auf Software für einen 3D-Drucker gestoßen. R. hatte demnach mit einem solchen Drucker versucht, funktionsfähige Waffen herzustellen. Der 1981 geborene W. führt laut AGST seit den 1990er Jahren die Neonaziszene in Eisenach an und baute demnach den »Thüringer Heimatschutz« mit auf, aus dessen Strukturen das mörderische Netzwerk des »Nationalsozialistischen Untergrunds« hervorging. Er sei seit »einem Sprengstoffanschlag auf einen Dönerimbiss« auch als »Dönerbomber« bekannt.
Zu den Vorwürfen wollen sich die Beschuldigten derzeit nicht einlassen. Kevin N., Marvin W. und Patrick W. waren im Dezember 2023 festgenommen worden, zwei von ihnen befinden sich noch immer in Untersuchungshaft.
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